Regierung rudert zurück Südkoreas Plan für die 69-Stunden-Woche sorgt für heftige Reaktionen

Angestellte sind in Südkoreas Hauptstadt Seoul auf dem Weg zur Arbeit
Angestellte sind in Südkoreas Hauptstadt Seoul auf dem Weg zur Arbeit
© ZUMA Wire / Imago Images
Die Regierung in Südkorea will mehr Flexibilität in die Arbeitswelt bringen und dafür die Höchstarbeitszeit von 52 auf 69 Stunden die Woche ausdehnen. Gewerkschaften und Opposition protestieren heftig – und die Regierung rudert zurück.

Mehr Flexibilität bei der Arbeit durch mehr Arbeitsstunden? Dieser Reformvorschlag der südkoreanischen Regierung hat in dem asiatischen Land für heftige Gegenreaktionen gesorgt. So sehr, dass sich das Kabinett in Seoul nun gezwungen sah, ihre ursprünglichen Pläne zu überdenken.

Eigentlich wollte die konservative Regierung die in Südkorea umstrittene 52-Stunden-Woche reformieren, die dort 2018 eingeführt wurde. Sie sieht vor, dass Überstunden auf 12 Stunden pro Woche begrenzt werden müssen, um sicherzustellen, dass die Gesamtzahl der Arbeitsstunden bei 52 bleibt. Unternehmen beklagten sich allerdings über Schwierigkeiten mit der Regelung.

Regierungspläne sehen 69 Stunden Höchstarbeitszeit vor

Die vergangene Woche präsentierten Pläne sollen es Unternehmen möglich machen, Überstunden nicht nur wöchentlich, sondern auch monatlich, vierteljährlich, halbjährlich oder jährlich zu verwalten, berichtet die Nachrichtenagentur Yonhap. Damit können Betriebe in Wochen mit hoher Arbeitsbelastung mehr und in Wochen mit geringerer Arbeitsbelastung weniger Stunden wählen.

Demnach sind 140 Stunden pro Quartal, 250 Stunden pro Halbjahr und 440 Stunden pro Jahr erlaubt. Die Pläne beinhalten auch eine Ruhezeit von 11 Stunden und die Möglichkeit, Überstunden zu sammeln und später als längeren Urlaub zu nehmen.

Dadurch können Unternehmen die wöchentliche Höchstarbeitszeit allerdings auch auf 69 Stunden erhöhen, so Yonhap weiter.

Proteste von Südkoreas Gewerkschaften und junger Generation

"(Der Plan) wird Arbeitnehmern mit verschiedenen Arbeitszeitsystemen, wie einer Vier-Tage-Woche und einem Sabbatical-Monat, zugutekommen und gleichzeitig den Unternehmen bei der Verwaltung ihrer Belegschaft helfen", sagte Arbeitsminister Lee Jeong-sik auf einer Pressekonferenz.

Begrüßt wurde der Schritt von der Korea Enterprise Federation, der größten Wirtschaftslobby des Landes. Die Arbeitsreform biete mehr Flexibilität bei der Bewältigung der zunehmenden Arbeitsbelastung.

Ganz anders sehen das die Arbeitnehmenden, insbesondere die jüngere Generation. Diese sehe in den Plänen der Regierung einen Angriff auf die Work-Life-Balance, berichtet Yonhap weiter.

Der südkoreanische Gewerkschaftsbund unterstützte den Protest der jungen Arbeitnehmenden. "Die Reform macht es legal, von neun Uhr morgens bis Mitternacht zu arbeiten", sagte der Gewerkschaftsbund, der sich zudem besorgt über mögliche gesundheitliche Folgen der langen Arbeitszeiten zeigte. Der Reformvorschlag sei "nicht realistisch".

Regierung von Präsident Yoon Suk Yeol lenkt ein

Der Frauenrechtsverband Korean Women's Associations United erklärte, eine solche Arbeitszeitreform werde für Frauen mehr Betreuungsarbeit zu Hause bedeuten. In Südkorea sind viele Frauen noch immer gezwungen, sich um Haushalt und Kinder zu kümmern. Kritiker bemängelten auch, dass die geplante Reform nicht zu einer Steigerung der ohnehin schon niedrigen Geburtenrate des Landes sorgen würde, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters.

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Auch die Opposition im Parlament fand scharfe Worte für die Regierungspläne. "In den Augen der Regierung Yoon Suk Yeol sind die Arbeitnehmer keine Mitglieder des Landes, sondern werden ausgebeutet", sagte der Abgeordnete Lee Jae-myung, Vorsitzender der Demokratischen Partei. "Ich frage mich, ob die Regierung will, dass die Menschen bei der Arbeit sterben."

Die Wucht der Proteste hat die Regierung in Seoul inzwischen zum Einlenken bewegt. Präsident Yoon Suk Yeol wies sein Kabinett am Dienstag an, die vorgeschlagene Reform der 52-Stunden-Woche zu überarbeiten und dabei insbesondere die Meinung der jungen Generation zu berücksichtigen, wie sein Büro laut Yonhap mitteilte.

Opposition will Reform im Parlament blockieren

Am Donnerstag wies er dann seine Minister an, eine "ergänzende Maßnahme zur vorgeschlagenen längeren Wochenarbeitszeit" zu ergreifen, sagte ein hoher Beamter des Präsidenten Yonhap. "Präsident Yoon erkennt an, dass es unmöglich ist, mehr als 60 Stunden pro Woche zu arbeiten, selbst wenn man Überstunden macht", sagte Ahn Sang-hoon, leitender Sekretär des Präsidenten für soziale Angelegenheiten.

Man werde die Stimmen von MZ-Arbeitern, Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern und Arbeitnehmern in kleinen und mittleren Unternehmen sorgfältig anhören, sagte Ahn. Mit MZ bezeichnet man in Südkorea Millennials und Menschen der Generation Z.

Im Sommer sollen die Pläne dann der Nationalversammlung zur Abstimmung vorgelegt werden. Lee Jae-myung kündigte bereits an, seine Partei werde den Gesetzentwurf blockieren.

Quellen: Nachrichtenagenturen Yonhap und Reuters