Taliban-Angriff in Afghanistan Soldaten starben durch Sprengfalle und Granaten

Neue Erkenntnisse über den Taliban-Angriff, bei dem vier deutsche Soldaten starben: Entgegen ersten Berichten wurden die Männer nicht durch eine Rakete getötet, sondern durch eine Sprengfalle und Mörser-Beschuss. Auch Rang, Alter und Herkunft der Soldaten stehen mittlerweile fest.

Die vier Bundeswehr-Soldaten sind am Donnerstag in Afghanistan bei zwei verschiedenen Anschlägen getötet worden. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums vom Freitag starben drei der Männer gegen 14.30 Uhr (Ortszeit) in der Nähe der Stadt Baghlan bei der Detonation einer ferngezündeten Sprengfalle. Der vierte deutsche Soldat kam erst etwa vier Stunden später ums Leben, als ein gepanzertes deutsches Sanitätsfahrzeug von Aufständischen beschossen wurde. Fünf Soldaten wurden verletzt.

Ein Ministeriumssprecher korrigierte damit erste Angaben, wonach die Soldaten durch einen Raketenangriff getötet wurden. Nach neuer Darstellung waren die Deutschen bei dem ersten Angriff innerhalb einer Kolonne gemeinsam mit afghanischen Soldaten und weiteren Angehörigen der Internationalen Schutztruppe Isaf unterwegs. Der Anschlag habe das letzte Fahrzeug der Truppe - ein gepanzertes Fahrzeug vom Typ "Eagle IV" - getroffen. Zuvor hatten mehrere andere Fahrzeuge die Stelle schon passiert, ohne dass die Falle zündete.

Oberstabsarzt starb durch Granate

Beim vierten deutschen Toten handelt es sich um einen Oberstabsarzt, der in einer anderen Kolonne zur Bergung des zuvor beschädigten Fahrzeugs unterwegs war. Nach Ministeriumsangaben wurde er in einigen Kilometern Entfernung von dem ersten Angriff bei einem Gefecht gegen 18.30 Uhr (Ortszeit) getötet. Dort schlug eine Granate in ein Fahrzeug vom Typ "Yak" ein, in dem der Sanitäter saß. Zwei weitere Insassen blieben unverletzt.

An dem großangelegten Einsatz gegen die radikal-islamischen Taliban waren am Donnerstag etwa 3000 Soldaten beteiligt, darunter auch etwa 100 Deutsche. Offen ist nach Ministeriumsangaben, ob sich der Anschlag gezielt gegen die Bundeswehr richtete und möglicherweise mit dem Besuch von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bei den deutschen Soldaten zusammenhing.

Zustand der Verletzten stabil

Die getöteten Soldaten stammen alle aus Süddeutschland: Der 33-jährige Oberstabsarzt kommt aus Ulm, ein 38-jähriger Major aus Weiden in der Oberpfalz, ein 32-jähriger Hauptfeldwebel und ein 24-jähriger Stabsunteroffizier aus Ingolstadt. Verletzt wurden ein 46-jähriger Oberstleutnant der Offiziersschule des Heeres in Dresden, ein Hauptfeldwebel, 35, und ein Oberfeldwebel, 27, aus Stetten am kalten Markt sowie ein Stabsfeldwebel, 44, und ein Hauptfeldwebel, 32, aus Amberg.

Die Trauerfeier für die getöteten Kameraden findet am Sonntag in Masar-i-Scharif statt. Daran wird Generalinspekteur Volker Wieker teilnehmen. Verteidigungsminister Guttenberg hingegen will mit den fünf verwundeten Soldaten nach Deutschland zurückfliegen, allerdings verzögert sich der Flug wegen der Störungen im europäischen Luftverkehr. Der Zustand der Verletzten ist nach Bundeswehrangaben stabil. Drei von ihnen seien ansprechbar, so Guttenberg. "Der eine oder andere ist sogar zu Scherzen aufgelegt. Es ist eine tolle Truppe."

Der Verteidigungsminister rief erneut zu mehr Realitätssinn für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr auf: "Der Einsatz in Afghanistan ist gefährlich, er bleibt gefährlich. Wir müssen die Realitäten in Afghanistan offen benennen", sagte er im usbekischen Termes.

Zu dem Angriff haben sich bereits kurz nach der Tat die Taliban bekannt. Sabiullah Mudschahid, Sprecher der Radikal-Islamisten sagte, bei den Gefechten seien ein Panzerfahrzeug von einer Rakete und drei weitere durch Sprengsätze zerstört worden. Angaben der Taliban sind in der Regel stark übertrieben. Ob es auch unter den Taliban Verletzte oder Tote gab, ist der deutschen Einsatzführung bislang nicht bekannt.

Politik übt sich in Durchhalteparolen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält indes auch nach der erneuten Eskalation an dem Einsatz fest. In einer Rede an der Elite-Universität Standford bei San Francisco sagte sie am späten Donnerstagabend, dass die Anschläge auf die USA im Jahr 2001 der Grund für das internationale Vorgehen am Hindukusch seien. Afghanistan müsse stabilisiert werden. Merkel räumte erneut ein: "Ich weiß, dass viele Menschen Zweifel haben, ob der Einsatz richtig ist." Sie stellte aber klar: "Doch ich will auch sagen, dass ich ganz bewusst hinter dem Einsatz stehe."

Unterstützung erhielt die Kanzlerin von der SPD. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier erklärte am Freitag im ARD-"Morgenmagazin": "Wir sind nicht kopflos hineingegangen, und wir dürfen jetzt nicht kopflos hinausgehen." Die neue Bundeswehr-Strategie, afghanische Sicherheitskräfte im Einsatz zu begleiten, sei risikobehaftet, räumte der SPD-Fraktionschef ein. Dennoch sprach er sich gegen vorschnelle Schlüsse aus. Die Überzeugungsarbeit der Politik werde nach einem solch tragischen Tag umso anspruchsvoller, sagte Steinmeier. Zugleich sei man den Toten und ihren Angehörigen verpflichtet, "die Rechtfertigung und die Dauer des Einsatzes immer wieder zu überdenken".

"Die Soldaten betrachten die Debatte mit Kopfschütteln"

In der gleichen Sendung wandte sich auch der scheidende Wehrbeauftragte der Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), gegen übereilte Rückzugspläne. "Die Soldaten betrachten die Debatte hierzulande manchmal mit Kopfschütteln", sagte er mit Blick auf die Diskussion, ob es in Afghanistan einen "Krieg" oder einen "bewaffneten Konflikt" gibt. Die Bundeswehrangehörigen könnten nicht nachvollziehen, wenn vorschnell mit Forderungen nach einem Abzug hantiert werde.

Die Grünen-Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin forderten von der Bundesregierung, rasch alle Informationen offenzulegen, "wie es zu dieser neuerlichen Tragödie innerhalb kürzester Zeit kommen konnte". Lediglich die Linke unterstrich ihre Forderung nach einem Ende des Einsatzes. Fraktionschef Gregor Gysi erklärte zudem, es könne "niemand mehr bestreiten, dass sich unsere Soldaten jetzt im Krieg befinden".

DPA
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