Tote Eisbären Die weißen Brunos von Island

Von Clemens Bomsdorf
Die tödlichen Schüsse auf zwei Eisbären haben in Island eine heftige Debatte entbrannt: Wie weit darf Tierschutz gehen, wo beginnt der Schutz des Menschen? Der Fall ist ein Beispiel dafür, dass der Klimawandel die Menschen vor völlig neue Probleme stellen kann. Denn Eisbären gibt es in Island eigentlich gar nicht.

Dass Island ein spannendes Reiseziel ist, hat sich herumgesprochen. Kaum freiwillig trieben jetzt allerdings zwei Eisbären an die Küste des Inselstaates im Nordatlantik. Und statt wie die menschlichen Besucher aus Europa oder den USA mit offenen Armen empfangen zu werden, schauten die Tiere in Gewehrläufe. Beide Eisbären wurden von der Polizei erschossen. Schließlich hätten sie sonst womöglich Isländer oder Touristen angegriffen.

Nun herrscht in dem 320.000 Einwohner-Staat helle Aufregung - fast wie damals, als in Deutschland auf den Braunbären Bruno Jagd gemacht wurde. Alles werde daran gesetzt, den nächsten Bären lebend zu fangen, hatte Umweltministerin Thórunn Sveinbjarnardóttir nach der Erschießung des ersten Tieres Anfang Juni angekündigt. Das aber gelang nicht, auch das zweite Tier wurde erschossen. Nun sind die zwei toten Bären großes Thema auf Island. Umweltschützer, die schon nach dem Tod des ersten Tieres über die rabiaten Methoden schimpften, sind erbost. Gerne hätten sie wenigstens das zweite Tier gerettet und so der Welt gezeigt, wie tierlieb die Isländer, die sich bereits mit ihrem Walfang unbeliebt machen, eigentlich sind.

Kommission analysiert Bärenjagd

Doch etliche Isländer sind realistischer. Lebende Kinder sind wichtiger als Eisbären, so die Devise. Die mehrere hundert Kilo schweren und sehr schnellen Tiere können eine enorme Gefahr für Menschen sein. "Der Polizeichef hatte keine andere Wahl. Er hat die richtige Entscheidung getroffen", sagt deshalb Carsten Grøndahl. Der Tierarzt des Kopenhagener Zoos war eigens nach Island gereist, um das Tier professionell zu betäuben und dann zu fangen. Doch aus Angst um Menschenleben schoss die Polizei, bevor der Mann aktiv werden konnte.

"Wir wussten, dass alles planmäßig verlaufen musste, um ihn lebend zu fangen. Wie wir gesehen haben, ist es nicht leicht das Tier zu betäuben und zu fangen", so die Umweltministerin. Flugs rief sie eine Kommission ins Leben, die nun analysieren soll, was bei der Bärenjagd schief gelaufen ist. So soll verhindert werden, dass auch noch ein drittes Mal ein Tier erschossen werden muss. Die Küstenwache ist unterdessen mit dem Helikopter auf fliegender Patrouille, um zu schauen, ob weitere Eisbären auf dem Weg nach Island sind.

Auf einer Eisscholle nach Island getrieben

Der Klimawandel soll mit daran schuld sein, dass sich die Tiere von Grönland nach Island verirrt haben. Auf einer Eisscholle sind sie in Richtung Island getrieben und das letzte Stück vermutlich geschwommen. Weil das Eis schneller schmilzt als früher und mehr kleinere Eisberge und Schollen von Grönland abtreiben, steigen die Chancen, dass auch Eisbären in Richtung Süden kommen. Beide Tiere sind im Nordwesten der Insel bei der Bucht Skagafjördur an Land gegangen. Womöglich hätten die Tiere in ihrer alten Heimat nicht genug Futter bekommen und seien deshalb gen Süden losgezogen, so der Biologe Thorsteinn Sæmundsson zum isländischen Fernsehsender RUV.

Es war ein zwölfjähriges Mädchen, das den zweiten Eisbären in der Nähe des Bauernhofes ihrer Eltern entdeckte. Das hungrige Tier ließ es sich nicht nehmen mehrere Enten des Hofes zu fressen, der Familie aber gelang es, sich im Haus zu verschanzen bis die Polizei vor Ort war - und schoss.

Der Fall trieb seltsame Blüten: Björgulfur Thor Björgulfsson, der reichste Isländer, hatte versprochen, für die Kosten der Bärenjagd aufzukommen. Allerdings nur unter einer Bedingung: das Tier wird lebendig gefangen. Der Geschäftsmann hatte sich davon Reklame für sein Unternehmensreich, das von Supermärkten über Pharmaunternehmen bis Telekomgesellschaften reicht, versprochen. Nun sind beide Tiere erschossen worden und Björgulfsson steht trotzdem als der gute Mensch von Island da. Schließlich hätte er bezahlt.

Wer ist der Naturfeind?

Auf einer anderen Insel können die Bewohner die Aufregung über die Eisbären auf Island sicher kaum verstehen. Auf Spitzbergen, einer Inselgruppe nördlich von Norwegen, wagt sich niemand aus den Dörfern heraus ohne ein Gewehr mitzunehmen. Immer wieder trifft man dort nämlich auf Eisbären und hier weiß jeder: besser früh schießen, als von dem weißen Riesen angegriffen zu werden.

Ein Isländer: "Viele Isländer und erst recht die Westeuropäer, die sich jetzt über die zwei toten Bären ereifern, haben sich einfach zu weit von der Natur entfernt. Sie fliegen ständig Flugzeug, fahren riesige Benzinschlucker und wenn einmal ein Tier ermordet wird, damit kein Menschenleben gefährdet wird, wettern sie gegen die angeblichen Feinde der Natur."

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