Vor vier Jahren kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, er werde die tschetschenischen Rebellen bis auf den Abort verfolgen und ausradieren lassen. Jetzt hat man im Kreml die Wahlurne im Blick, sie soll endlich Frieden bringen. Zumindest soll es so aussehen.
Blutiger Dauerkonflikt
Am Sonntag wird in der abtrünnigen Kaukasusrepublik ein Präsident gewählt, was in Moskau als Krönung des Normalisierungsplanes für den blutigen Dauerkonflikt dargestellt wird. Kritiker werfen Putin indes vor, die Wahl des vom Kreml eingesetzten Achmad Kadyrow, der keinen ernstzunehmenden Gegenkandidaten hat, werde nichts verändern. Das wahre Ziel des Kremlchefs sei es, vor der russischen Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr den Sieg in Tschetschenien für sich zu reklamieren.
1999 schickte Moskau zum zweiten Mal seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion Truppen in die überwiegend von Muslimen bewohnte Republik, um gegen die Separatisten vorzugehen. Der zermürbende Kampf der Rebellen dauert bis heute an, nahezu täglich werden bei Angriffen oder durch Landminen Soldaten getötet.
Putin reagiert gereizt
Sein andauernder Kampf im Kaukasus hat der Popularität Putins bislang kaum geschadet. Und doch ist Tschetschenien das Thema, auf das der Präsident gereizt reagiert. Das bekam Steven Pifer zu spüren, Staatssekretär im US-Außenministerium. Als dieser kürzlich den Sinn der bevorstehenden Wahl anzweifelte, erklärte Putin, Pifer sei nur ein mittelrangiger Diplomat, dessen Bemerkungen des Kommentares nicht wert seien.
US-Präsident George W. Bush unterstützt Putins Krieg als Teil des Kampfes gegen den Terrorismus. Kritiker halten dagegen: Sollten sich die USA wirklich um den internationalen Terrorismus sorgen, dann sollten sie das russische Vorgehen in Tschetschenien etwas genauer in Augenschein nehmen. Wie der Nahost-Konflikt sei der Tschetschenienkrieg für radikale Islamisten ein machtvolles Symbol für brutale Unterdrückung und schüre nur weiteren Terrorismus, sagt Emil Pein, enger Berater von Putins Vorgänger Boris Jelzin.
Viele Beobachter sind skeptisch
Von Beginn an waren viele Beobachter skeptisch, ob die Wahl Tschetschenien Frieden bringen kann. Entführungen, willkürliche Verhaftungen und Ermordungen sind dort alltäglich. Die Befürchtung, es handele sich um Kreml-Kosmetik, bestärkte sich in dem Maße, in dem alle ernstzunehmenden Gegenkandidaten Kadyrows entweder ihre Kandidatur fallen ließen oder ausgebremst wurden.
Seinem stärksten Herausforderer Malik Seidullajew wurde die Kandidatur untersagt, nachdem ein Gericht geurteilt hatte, dass Unterschriften von Unterstützern in seiner Bewerbung gefälscht worden seien. Am selben Tag zog Aslambek Aslachanow seine Kandidatur zurück: Putin hatte dem tschetschenischen Abgeordneten in Moskau einen Job als Berater angeboten.
Bei einer Umfrage des Walidata-Institutes im Juni unter 1.000 Tschetschenen ergab sich eine Zustimmung von 20 Prozent für Seidullajew, von 18 Prozent für Aslachanow und gerade mal 13 Prozent für Kadyrow. 19 Prozent der Befragten stimmten für Ruslan Chasbulatow. Der frühere russische Parlamentspräsident bewarb sich trotz Ankündigung jedoch gar nicht.
Getreue Moskaus
Nach Ansicht des russischen Abgeordneten und Bürgerrechtlers Sergei Kowaljow sind Aslachanow und Seidullajew zwar auch Getreue Moskaus. Dennoch seien sie an ihrer Kandidatur gehindert worden: "Sie standen für Verhandlungen zwischen Grosny und Moskau. Aber Putin hat sich ganz bewusst für ein gewaltsames Vorgehen entschieden."
Es wird erwartet, dass Putin nach der Wahl mehr Verantwortung für Sicherheit und Ordnung in die Hände Kadyrows und der regionalen Sicherheitskräfte legt. Der Abgeordnete Kowaljow bezweifelt, dass Putins ehrliche Absicht der Frieden in Grosny ist. Vielmehr wolle der Kremlchef seine eigene Armee schonen. "Es ist schön, die Kastanien aus dem Feuer zu holen", sagt Kowaljow. "Und besonders schön ist es mit der Hand eines anderen."