Urteil für Michail Chodorkowski Enttäuschte Merkel rüffelt Putin

Klare Ansage von Angela Merkel an den Kollegen Putin: Sie hat den Eindruck, "politische Motive" hätten bei der Verurteilung von Kremlkritiker Michail Chodorkowski eine Rolle gespielt.

Angela Merkel macht aus ihrer Enttäuschung über das Urteil keinen Hehl. "Ich bin enttäuscht über das Urteil gegen Michail Chodorkowski und das harte Strafmaß." Es bleibe der Eindruck, dass politische Motive bei diesem Verfahren eine Rolle gespielt hätten. Der frühere russische Öl-Magnat und Kreml-Kritiker war zuvor in einem zweiten Prozess zu 14 Jahren Haft verurteilt worden. Das Moskauer Gericht verurteilte den 47-Jährigen zusammen mit seinem mitangeklagten Geschäftspartner Platon Lebedew wegen des Diebstahls von Millionen Tonnen Öl sowie Geldwäsche. Am Montag wurde der Ex-Chef des inzwischen zerschlagenen Öl-Konzerns Yukos wegen Unterschlagung und Geldwäsche schuldig gesprochen, am Donnerstag folgte das Strafmaß. Da er bereits sechs Jahre einsitzt, muss der Verurteilte jetzt bis 2017 in Haft bleiben.

"Es lebe unser unabhängiges russisches Gericht", rief Chodorkowski sarkastisch nach der Verkündung des Strafmaßes. Der frühere Chef des mittlerweile zerschlagenen Ölkonzerns Yukos hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Nach Ansicht von Beobachtern will die russische Führung den noch immer einflussreichen und finanzstarken Chodorkowski über die Präsidentenwahl 2012 hinaus politisch kaltstellen.

Urteil hinter kugelsicherem Glas

Chodorkowski saß während des Prozesses in einem Käfig aus kugelsicherem Glas. Seine Mutter verfluchte den Richter und dessen Nachfahren. Spezialeinheiten der Polizei riegelten das Gebäude weiträumig ab und verhinderten damit Demonstrationen von Regierungsgegnern, wie sie es Anfang der Woche während der Verkündung des Schuldspruchs gegeben hatte.

In einem ersten Prozess waren Chodorkowski und Lebedew bereits wegen Betrugs und Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt worden, die im kommenden Jahr abgelaufen wäre. Diese Strafe werde nun angerechnet, so Richter Viktor Danilkin. Damit bleibt der Gegner von Regierungschef Wladimir Putin vermutlich bis 2017 in Haft.

Chodorkowski ist Symbol für den Widerstand

Bei seiner Festnahme 2003 war Chodorkowski im Volk als Vertreter des postsowjetischen Raubtierkapitalismus unbeliebt. Dass er in einem sibirischen Straflager gefangen gehalten wurde, entlockte vielen Russen nicht mehr als ein Schulterzucken. Doch mittlerweile ist der einst reichste Mann des Landes für viele ein Symbol für den Widerstand gegen die autoritäre Politik seines Erzfeindes Putin. Das Gesicht mit der randlosen Brille und den kurz geschorenen Haaren ziert schon längst Protestplakate.

Unbeugsam kündigte Chodorkowski an, er werde gegen einen Schuldspruch bis vor den Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen. Eine Begnadigung durch Präsident Dmitri Medwedew lehnt er ab - denn dafür müsste Chodorkowski seine Schuld eingestehen. Stattdessen beharrt er auf seiner Unschuld. Aus dem Straflager nahe der chinesischen Grenze, wo er seine erste achtjährige Haft wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verbüßt, hat Chodorkowski in schriftlichen Interviews mit westlichen Medien immer wieder das "autoritäre System Putins" angeprangert.

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zen/AFP/DPA