US-Präsidentschaftswahlen Die religiöse Rechte und der Teufel

  • von Malte Arnsperger
Die Evangelikalen in den USA haben ein Problem: Ihr Held George W. Bush tritt ab - und überzeugend finden sie keinen der chancenreichen Kandidaten der Republikaner. Rudy Giuliani? Zu liberal? Mitt Romney? Ein Mormone! Möglicherweise katapultiert die Unentschlossenheit der christlichen Rechten sogar eine Frau ins Amt, die sie für die Leibhaftige halten.

Sie verabscheuen Homosexuelle. Abtreibung ist für sie die Sünde schlechthin. Und Vertreter anderer Religionen werden von ihnen oft als Ketzer geschmäht. Amerikas Evangelikale haben unumstößliche Überzeugungen. Die gleiche Weltsicht erwartet die religiöse Rechte auch von Politikern. Zumindest von denen, die ihre Unterstützung haben wollen. Und die ist nicht zu verachten. Rund 26 Millionen Amerikaner bezeichnen sich als Evangelikale, immerhin zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. George W. Bush sitzt nur im Weißen Haus, weil er 80 Prozent ihrer Stimmen erhielt.

Allerdings haben die Evangelikalen nun ein Problem: Bush, ihr Held, darf bei der nächsten Präsidentschaftswahl nicht mehr antreten. Hinter wem sollen sich die tiefgläubigen Fundamentalisten im Rennen um die Kandidatur der Republikaner für die Präsidentschaftswahl 2008 nun scharen?

Es bieten sich unter anderem an: Rudy Giuliani, der Ex-Bürgermeister des vermeintlichen Sündenpfuhls New York City, der Abtreibung duldet, der Lesben und Schwulen die Ehe erlauben will und selber schon zum dritten Mal verheiratet ist. Oder Mitt Romney, der ehemalige Gouverneur aus dem liberalen Massachusetts, der erst seit kurzem auf wundersame Weise zum Abtreibungsgegner wurde und zu allem Überfluss auch noch Mormone ist - für die Evangelikalen eine Sekte. Schon besser wäre Ex-Senator Fred Thompson, der vielen Rechten als Hoffnungsträger galt. Aber nein, auch der hat gesündigt. Der Frauenheld stand schon drei Mal vor dem Traualtar und war früher als Lobbyist ausgerechnet für eine Familienplanungsorganisation unterwegs, die Abtreibung ausdrücklich unterstützte. Bleibt eigentlich nur noch der rüstige John McCain, ein eindeutiger Abtreibungsgegner. Aber der hat sich bei seiner ersten Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2000 selbst ins Bein geschossen, als er evangelikale Führer tief beleidigte und als "Bevollmächtigte der Intoleranz" bezeichnete.

Entscheidung zwischen Pest und Cholera

Kurzum: Für die Evangelikalen gleichen die Vorwahlen, die Anfang Januar mit dem Urnengang im Bundesstaat Iowa beginnen, der Entscheidung zwischen Pest und Cholera. Sogar mit der Aufstellung eines eigenen Kandidaten drohen sie unverhohlen. Dieses Dilemma ist ein Hauptgrund, weshalb die republikanische Partei zum ersten Mal seit 40 Jahren keinen eindeutigen Favoriten auf die Kandidatur hat. Während bei den Demokraten Hillary Clinton regelmäßig über 40 Prozent in den Umfragen erreicht und ihren Hauptgegner Barack Obama deutlich auf Distanz hält, sind Giuliani und Co von solchen Zahlen meilenweit entfernt. Der derzeitige "Frontrunner" Giuliani kommt auf lediglich rund 25 Prozent.

Wer für die Republikaner ins Rennen um das Weiße Haus gehen will, muss also die religiöse Rechte auf seine Seite bringen. Und zumindest Guiliani und Romney konnten jüngst zwei dicke Fische an Land ziehen. Nachdem Paul Weyrich, Gründer der "Moral Majority"-Bewegung, dem Mormonen Mitt Romney seine Unterstützung versprach, hat nun der Fernsehprediger Pat Robertson, Vormann der fundamentalistischen Christian Coalition, Rudy Guiliani zu seinem Auserkorenen ernannt. Pikant: Robertson bezeichnete die Terroranschläge vom 11. September als Folge von Abtreibung, Homosexualität und Gottlosigkeit in der Bevölkerung. Giuliani und Robertson - für die New York Times schon jetzt Bewerber für den Titel "Merkwürdigste Bettgenossen". In seiner Begründung, warum er ausgerechnet das Feindbild seiner eigenen Anhänger favorisiert, umging Robertson tunlichst Themen wie Abtreibung oder Homo-Ehe.

Der Liebling der Evangelikalen ist den meisten zu religiös

Doch so richtig warm werden die Evangelikalen mit keinem der großen vier der Republikaner. Das eröffnet vielleicht in letzter Sekunde einem absoluten Außenseiter eine Chance, wenn auch nur eine kleine. Mike Huckabee, Ex-Gouverneur von Arkansas und viel wichtiger: ehemaliger Pfarrer. Er vertritt all die Positionen, die den Fundamentalisten lieb und teuer sind, und ist eigentlich ihr Traumkandidat. Er erscheint wie vom Herrn persönlich geschickt. Aber der liebe Gott hat offensichtlich nicht mit dem Rest der Wählerschaft gerechnet. Viele Amerikaner, obwohl selber gläubig, können mit den oft extremen und wirklichkeitsfremden Ansichten Huckabees nichts anfangen, kurz: Er ist ihnen zu religiös. Zwar konnte sich Huckabee in den Umfragen von ein paar Prozentpünktchen auf nun zehn Prozent vorarbeiten.

Aber Beobachter sind skeptisch, ob das reichen wird, die anderen Bewerber auszustechen. "Alleine die Unterstützung der religiösen Rechten reicht nicht. Das wissen die Rechtgläubigen selber. Sie sind pragmatisch und wollen einen Siegertypen unterstützen", sagt Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik stern.de. "Mike Huckabee hat keine Chance als Präsidentschaftskandidat. Der in sexualmoralischen Fragen eher liberalere Giuliani wäre aber gut beraten, ihn als Vize zu nehmen, um die christliche Rechte zu mobilisieren." Ein Siegertyp wird also dringend gesucht. Einer, auf den die religiöse Rechte sich nach den Vorwahlen einigen kann. Dann nämlich, wenn es gegen den demokratischen Kandidaten um die Präsidentschaft geht. Auf der demokratischer Seite weist momentan alles darauf hin, dass es gegen eine Kandidatin gehen wird: Hillary Clinton. "Und die ist in den Augen der Evangelikalen der Teufel höchstpersönlich", sagt Braml. Wieder ein Clinton im Weißen Haus? Für die Fundamentalisten käme das der Apokalypse gleich. Dieses größtmögliche Unglück gilt es zu verhindern. Deshalb rechnet Braml damit, dass sich einige Evangelikale dazu aufraffen werden, bei der Präsidentschaftswahl zähneknirschend für den Kandidaten der Republikaner zu stimmen, selbt wenn der Guiliani oder Romney heißen sollte. Aber, so Braml, "ein Großteil der christlich Rechten wird zu Hause bleiben. Und so werden sie wieder die Wahl entscheiden. Aber diesmal ironischerweise nicht für einen Republikaner, sondern für eine Demokratin."

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