Für McCain ist die Sache bereits erledigt. "Mein Nominierungsverfahren war sehr gründlich, und ich bin dankbar für das Ergebnis", sagte der Kandidat der Republikaner. Und entschwand. Doch so schnell wird McCain die lästigen Fragen zu seiner Stellvertreterin Sarah Palin wohl doch nicht loswerden. Denn die Zweifel an seiner Sorgfalt im Auswahlprozess bleiben bestehen: Wie genau ließ McCain die Gouverneurin von Alaska überprüfen, bevor er sie zu seiner Vizekandidatin kürte? Und wann genau wurde McCain über die Schwangerschaft von Palins 17-jähriger Tochter informiert?
Nach einem Bericht der "Washington Post" wurde Palin erst am vergangenen Donnerstag, also einen Tag vor ihrer Nominierung, von McCains Beauftragtem für die Vizesuche, Arthur Culvahouse, persönlich befragt. Erst bei diesem Treffen habe Palin auch die Schwangerschaft ihrer Tochter eingeräumt. Offenbar störte sich keiner daran. Die Berater von McCain weisen alle Schuld von sich, die Wahl sei überhastet und schlampig verlaufen. Die Entscheidung für Palin sei nach einem intensiven Meinungsaustausch im engsten Beraterzirkel von McCain gefallen.
McCain soll alles gewusst haben
"Während des wohl durchdachten Nominierungsprozesses eines Vizekandidaten haben alle politischen Berater ihre Pro und Kontra-Positionen über alle möglichen Kandidaten Senator John McCain gegenüber erklärt", sagte McCains Stratege Steve Schmidt der "Washington Post". McCain selbst habe Palin erst am Donnerstagmorgen in seinem Domizil in Sedona im Bundesstaat Arizona, empfangen. Davor hatte er mit ihr lediglich telefoniert. Einen Tag zuvor traf sie auch Top-Berater Steve Schmidt.
McCains Team behauptet, dass sie schon vor dem Treffen genügend Informationen über Palin gesammelt hätten, darunter auch alle Details über die Untersuchung des Parlaments in Alaska zu einem möglichen Amtsmissbrauch durch die Gouverneurin. Daneben habe Palin einen Fragebogen mit zum Teil sehr persönlichen Fragen ausgefüllt. Laut dem Nachrichtensender "CNN" wurden auch die anderen Kandidaten gebeten, diesen Fragebogen auszufüllen. Sie wurden aufgefordert, unter anderem Angaben über Haushaltspersonal, Seitensprünge und eventuelle Drogen- und Alkoholsucht zu machen. Unklar ist jedoch, ob McCains Team den ausgefüllten Fragebogen von Palin schon vor dem Treffen in Arizona erhalten hatte. Aus dem Umfeld des Republikaners hieß es dazu, man wolle keine näheren Details dazu an die Öffentlichkeit geben.
Doch scheinbar waren die Berater doch nicht so gut informiert, wie von ihnen behauptet. Denn erst die Gespräche am Mittwoch und die Antworten zu dem Fragebogen hätten McCains Team über die Schwangerschaft von Palins Tochter in Kenntnis gesetzt. Auch die frühere Verhaftung ihres Ehemanns wegen Trunkenheit am Steuer und ein Bußgeldbescheid für Palin wegen Fischens ohne Genehmigung waren McCains Leuten nicht bekannt. Trotz der neuen Erkenntnisse gaben sie aber ihre Zustimmung zu Palin.
Was nach einer hastigen Suche in letzter Minute aussieht, begann eigentlich schon im Frühjahr dieses Jahres. Als McCains Präsidentschaftskandidatur im Februar feststand, erhielt seine Prüfkommission für einen Vize zunächst eine Liste mit 20 Namen. Zu jedem wurde eine umfangreiche Akte mit Informationen angelegt. Später wurde die Suche nach einem Stellvertreter auf sechs Personen eingegrenzt, am Ende blieben mit Pawlenty und Palin nur noch zwei übrig.
Steuererklärungen der letzten sieben Jahre
Die letzten sechs Kandidaten mussten ihre Steuererklärungen der letzten sieben Jahre einreichen, ihre Kreditwürdigkeit wurde überprüft. Zusätzlich mussten sie den Fragebogen mit 70 Fragen ausfüllen. Zu einem Sicherheitscheck durch das FBI kam es jedoch nicht. Die Prüfkommission hätte zwar gerne einen solchen durchführen lassen, jedoch lehnte das FBI ab, da eine solche Überprüfung nur für hohe Staatsämter vorgesehen ist.
Doch noch immer bleiben wichtige Details zum Nominierungsverfahren offen. Und das soll auch so bleiben. Top-Berater Schmidt ließ nun verkünden: "Die McCain Wahlkampagne wird unseren langen und gründlichen Nominierungsprozess nicht weiter erläutern." Auch die Vizekandidatin selbst beteiligt sich nicht an einer weiteren Aufklärung. Sie verschanzt sich momentan in ihrem Hotel in Minneapolis. Alle öffentlichen Auftritte sagte sie ab, es hieß, sie wolle noch an ihrer Rede für den Parteitag arbeiten. Nach Angaben der "Washington Post" macht sie dies jedoch nicht allein. McCains Beraterteam schaut ihr über die Schulter und bereitet den Text mir ihr zusammen vor. Diese sollen sich aber noch uneinig sein, ob Palin in ihrer Rede auf die Schwangerschaft ihrer 17-jährigen Tochter eingehen soll. Man plane, so die "Washington Post", Palin auf dem Parteitag am Mittwoch als Reformerin und Energieexpertin zu präsentieren.
Der Zustimmung auf dem Parteitag dürfte sie sich aber schon jetzt sicher sein. Demonstrativ stellten sich alle Parteitagsredner jetzt hinter die Gouverneurin aus Alaska. Auch die republikanische Basis scheint weiterhin an Palin festzuhalten. Doch McCain muss weiter bangen, wie die Gerüchte und Enthüllungen um Palin draußen beim Wähler ankommen. McCain setzte mit dieser Wahl auf Risiko, jetzt muss er warten, ob sein gewagtes Spiel auch aufgeht. "Die Wahl Palins ist entweder brillant oder ein kolossaler Fehler von McCain", meint Charles Cook, Kommentator der "Los Angeles Times". "Sagen die Leute, sie ist eine normale Person, die sich mit Problemen herumschlägt, ähnlich wie wir? Oder sagen die Leute, wie kann sie für das Amt des Vizepräsidenten kandidieren, mit all dem, was in ihrem Leben passiert?"