US-Wahlkampf Wie Joe der Klempner McCain blamierte

Von Matthias B. Krause
Das letzte TV-Duell der US-Präsidentschaftskandidaten hat Barack Obama klar für sich entschieden. Während der Kandidat der Demokraten die Ruhe selbst war, versuchte John McCain verzweifelt einen Angriffspunkt zu finden. Der wichtigste Mann des Abends war jedoch Joe der Klempner.

Er schoss gezielt, er schoss aus der Hüfte, er schoss über die Schulter. Doch egal, was er auch versuchte, alles ging vorbei. Oder schlimmer: kam zurück. Doch das schlimmste war, dass man John McCain ganz genau ansah, wie er mit jeder Minute wütender wurde, wie am Ende seine Verzweiflung wuchs. Es war eine feurige Debatte, die sich der republikanische Präsidentschaftskandidat am Mittwochabend vor den Toren New Yorks mit seinem demokratischen Konkurrenten lieferte. Geändert hat das dritte und letzte Aufeinandertreffen von McCain und Barack Obama jedoch nichts. Der junge Politiker aus Chicago, der schon Hillary Clinton zur Verzweifelung trieb, war durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Mit Umfragen im Rücken, die ihn deutlich vorne sehen und teilweise einen Erdrutschsieg in 19 Tagen vorhersagen, wirkte er einmal mehr nicht wie die riskante Wahl, zu der ihn die Republikaner so gerne machen würden, sondern wie ein Präsident in Wartestellung.

McCain dagegen wird sich seine wenigen noch verbliebenen Haare raufen, dass er sein Mienenspiel nicht besser unter Kontrolle hatte. Vor allem, wenn Obama sprach. Dann schrieb er wie wild auf seinem gelben Schreibblock herum, verzog das Gesicht zur Grimasse, rollte mit den Augen, presste ein wölfisches Lächeln zwischen schmalen Lippen hervor. Paul Begala, einst Berater der Clintons, sagte beim Kabelsender CNN: "Diese Bilder von seinen Reaktionen bringen ihn um. Der sah wieder aus wie der grummelige McNasty." David Gergen, Berater von drei Präsidenten auf beiden Seiten des politischen Spektrums, drückte es nüchterner aus: "Er sah böse aus. Er hatte Probleme, sich unter Kontrolle zu halten. Es war fast eine Lehrstunde im Wut-Management."

Obama bleibt kühl

Auf der anderen Seite erntete Obama sogar von Leuten Anerkennung, die ihn normalerweise sehr kritisch betrachten. Roger Simon, konservativer Kommentator der einflussreichen Webseite politico.com, schrieb: "Nach 90 Minuten unter kochend heißen TV-Scheinwerfern war Obama immer noch so kühl, ein Eiswürfel wäre auf seiner Stirn nicht geschmolzen." Dabei waren die Geschosse, die McCain los ließ, gar nicht von schlechten Eltern. Schon ziemlich früh in der Debatte blickte er seinem Kontrahenten direkt in die Augen und sagte: "Senator Obama, ich bin nicht Präsident Bush. Wenn Sie gegen Präsident Bush antreten wollen, hätten Sie das vor vier Jahren tun müssen." Dann versprach er, das Ruder in der Wirtschaftspolitik umzulegen.

Doch McCains Freude über seinen - höchst wahrscheinlich sorgfältig einstudierten - kurzen verbalen Haken währte nicht lange. Obama entgegnete beinahe entschuldigend, aber mit einem spitzbübischen Lächeln auf den Lippen: "Wenn ich manchmal Ihre Politik mit der von George Bush verwechselt habe, dann liegt das daran, dass Sie in zentralen wirtschaftlichen Fragen, die für das amerikanische Volk wichtig sind - Steuern, Energie, Priorität der Ausgaben - ein entschlossener Unterstützer von Präsident Bush waren." Wo McCain es wahlweise mit den Fäusten oder dem Säbel versuchte, blieb Obama beim Florett. Statt etwa die republikanische Kandidatin für die Vizepräsidentschaft, Sarah Palin, direkt zu kritisieren, sagte er Dinge wie: "Sie ist eine fähige Politikerin." (Nicht: Sie ist eine fähige Anführerin). Oder: "Sie hat die Basis der Republikanischen Partei begeistert." (Nicht aber die unentschiedenen Wähler, die sich mehr und mehr von ihr abwenden.)

"Wenn ich Präsident bin, musst Du null Dollar Strafe zahlen"

Natürlich durfte an diesem Abend auch nicht Bill Ayers fehlen, der Gründer einer terroristischen Vereinigung in den 60er Jahren, der mittlerweile als Professor an der University of Chicago lehrt und mit dem Obama am Anfang seiner politischen Karriere in Berührung kam. Palin behauptet derzeit bei jedem Wahlauftritt, Obama sei mit einem Terroristen befreundet. McCain unterstellte ihm in der Debatte, er verharmlose seine Beziehung zu dem Ex-Terroristen. Obama entgegnete: "Wenn Leute mir so etwas unterstellen, sprechen wir nicht über die Sachthemen." Und an anderer Stelle noch einmal: "Es macht mir nichts aus, in den kommenden drei Wochen angegriffen zu werden. Aber was sich das amerikanische Volk nicht leisten kann, sind vier weitere Jahre einer verfehlten Politik."

McCains Wahlstrategen hatten sich eine weitere Flanke ausgeguckt, auf der sie Obama angreifen wollten. Bei einem Wahlkampfstopp in Toledo, Ohio, hatte der in einem Gespräch mit einem Klempner namens Joe Wurzelbacher etwas in der Richtung gesagt, dass er "Wohlstand verbreiten wolle". Das klingt in den Ohren von McCains Männern offensichtlich wie die Ausrufung des Sozialismus. Jedenfalls gaben sie ihm auf, den Spruch und "Joe the plumber" so oft wie möglich zu erwähnen.

Als McCain behauptete, Obamas Reform des Gesundheitssystems werde "Joe the plumber" bestrafen, wenn der für seine Angestellten keine Krankenversicherung kaufe, schlug er zurück. "Hallo Joe", sagte Obama, direkt in die Kamera guckend, "falls Du da draußen bist: Wenn ich Präsident bin, musst Du null Dollar Strafe zahlen. Null. Kleinunternehmen wie Deines sind in meinem Plan von Strafen befreit." McCain fiel fast die Kinnlade runter. Es wird ein paar Tage dauern, bis die Umfragen herauskommen, die Zeugnis über Sieger und Verlierer ablegen. Aber einer steht jetzt schon fest. Joe Wurzelbacher sind nach dieser Debatte seine 15 Minuten im nationalen Rampenlicht garantiert.