USA-Besuch Leergut für Fischer

Die Zeichen stehen nach dem deutsch-amerikanischen Streit auf Entspannung: US-Außenminister Powell drückte Fischer den leer getrunkenen Kasten Flens in die Hand.

Mit gespieltem Ernst drückte US-Außenminister Colin Powell seinem Gast Joschka Fischer in Washington den leer getrunkenen Kasten Flensburger Pils wieder in die Hand. Ehre dem deutschen Pfandsystem über den Atlantik hinweg! Fischer hatte nämlich seinem Kollegen das Bier in den Bügelverschlussflaschen bei dessen Besuch im Mai in Berlin geschenkt. Bei der Gelegenheit hatte Powell die Erwartung geäußert, dass sich das deutsch-amerikanische Türenschmeißen wegen des Irak-Kriegs wieder legen möge.

Wenn Deutsche und Amerikaner auf Regierungsebene wieder scherzen, könnte das schon viel über die Rückkehr zur Normalität in den Beziehungen sagen. Allein, es gibt noch zwei Unbekannte, bevor der Erfolg von Fischers fünftägiger USA-Reise bewertet werden kann. Erstens steht die Unterredung Fischers mit US-Vizepräsident Dick Cheney am Donnerstag noch aus. Und Cheney wird in Sachen Irak zu den Falken um Präsident George W. Bush gezählt.

Ein Stein fiel polternd vom Herzen

Und zweitens kam in der 60-minütigen Unterredung mit Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice am Mittwoch ein möglicher Besuch von Bundeskanzler Gerhard Schröder bei Bush nicht zur Sprache. Dabei hatte das Treffen mit Rice eine Viertelstunde länger als geplant gedauert.

Aber ein Ergebnis konnte Fischer schon jetzt einfahren: Die strategische Debatte über den Atlantik hinweg, die wegen der beiderseitigen Verärgerung über die Irak-Politik der jeweils anderen Seite verschüttet war, beginnt sich nach seinem Eindruck wieder zu intensivieren. "Und das finde ich sehr gut", sagte Fischer mit diplomatischer Zurückhaltung.

Hinter der Formulierung verbarg er, dass ihm mit der amerikanischen Abkehr von der Gesprächsverweigerung fast hörbar ein Stein vom Herzen fiel. "Die Demokratie lebt von der Debatte", argumentierte Fischer in einer New Yorker Talkshow. Und deshalb könne es kein Drama sein, wenn zwei demokratische Verbündete in der Frage des Irak-Kriegs unterschiedlicher Meinung seien: "Das haben wir Deutschen von den Amerikanern gelernt", sagte er, und dem gewieften PBS-Talkmaster Charlie Rose fiel dazu so rasch kein Gegenargument ein.

Jetzt geht es laut Fischer darum, dass die Gefahr neuer Instabilität im Irak und im Nahen- und Mittleren Osten durch entschlossenes und gebündeltes Handeln gebannt wird. Das liege auch im ureigensten Sicherheitsinteresse aller Europäer.

Ein Set von Küchengeräten für Fischer

Diese ausgestreckte Hand des deutschen Außenministers wurde erkannt. So deutete Powell Entgegenkommen gegenüber den Europäern an: Er denke statt des US-geführten Besatzungsregimes im Irak über eine Stabilisierungspolitik unter dem Dach der Vereinten Nationen nach. Eigentlich hielten die USA das nach ihrer Lesart der UN-Beschlusslage nicht für nötig. Aber wenn andere Länder das unbedingt anders sehen wollten, warum denn nicht? Ergebnisse oder gar Beschlüsse lägen jetzt natürlich noch nicht vor.

So viel transatlantische Verständnisbereitschaft ist neu. Sie verrät aber auch, dass sich die Amerikaner in der Irak-Frage inzwischen isoliert fühlen. Nach dem Siegesrausch vom Mai werden anhaltende Verluste durch Anschläge im Irak und Fragen zu Hause nach der Wahrheit von Geheimdienstinformationen über Massenvernichtungswaffen sowie drohende Anzeichen für schwindende Truppenmoral immer mehr zur Belastung - vor allem, da zum Jahresende der Präsidentschaftswahlkampf beginnt.

Auffallend fanden einige oppositionelle Demokraten in Washington, dass die Kriegsbefürworter aus dem Bush-Lager wie Berater Richard Perle, der stellvertretende Verteidigungsminister Paul Wolfowitz und auch Cheney die Öffentlichkeit inzwischen meiden. Und ob die Washingtoner Hardliner bei dem zaghaften Kurswechsel in Richtung Multilateralismus mitziehen, blieb vorerst offen.

Powell jedenfalls unterstrich seine Verbundenheit mit Fischer dadurch, dass er ihm nicht nur die leeren Pfandflaschen in die Hand drückte. Dazu gab es auch ein Set von speziellen Küchengeräten für den bekennenden Fischgourmet im Ministerrang. Der Hobbykoch aus Deutschland nahm das Geschenk des amerikanischen Freundes an.

Frieder Reimold