USA-Flugreisen Der gläserne Passagier

  • von Sebastian Christ
Sie wollen alles wissen: den Namen, die Kreditkartennummer, die Religionszugehörigkeit und ob ein Fluggast Fleisch mag oder nicht. Ein neues Abkommen regelt die Weitergabe von 19 Passagierdatensätzen an die USA. stern.de dokumentiert die Datensammelwut der US-Behörden.

Für Datenschützer sind Amerikareisen schon lange keine Vergnügungstrips mehr. Wer in die USA fliegen will, gibt unfreiwillig eine Vielzahl von Informationen preis - ohne, dass der Reisende etwas dagegen tun könnte. Seit dem sich Europäische Union und US-Regierung Ende Juli nach langen Verhandlungen auf ein neues Abkommen zur Weitergabe von Flugdaten einigen konnten, hat sich die Situation zusätzlich verschärft. Das Abkommen trat am 1. August in Kraft. Daten dürfen jetzt 15 Jahre lang vom US-Ministerium für Heimatschutz gespeichert werden, früher waren es nur dreieinhalb Jahre. Außerdem haben auch andere US-Behörden Zugriff auf die insgesamt 19 Datensätze.

Daten werden zusammengefasst

Wenn es nach den Amerikanern geht, soll der Informationstransfer zudem künftig schon eine halbe Stunde vor Flugbeginn erfolgen - damit verdächtige Personen frühzeitig identifiziert werden können. Grundlage für die Datensammlung sind jene Angaben, die ein Passagier direkt oder indirekt beim Buchen des Flugtickets machen muss. Neben den Kontaktinformationen sind das vor allem Sonderwünsche, Passdaten, Bezahlungsdetails und grundsätzliche Angaben zur Reiseroute- und -datum. All diese Angaben werden bei der Buchung zu dem so genannten "Passenger Name Record" (PNR) zusammengefasst. Jede in den USA tätigen Fluggesellschaften gewährt dem Heimatschutzministerium Zugriff auf den Buchungscomputer. Ab Januar 2008 sollen die Gesellschaften verpflichtet werden, die Daten selbständig zu übermitteln.

Das Abkommen zwischen der EU und den USA sieht konkret die Übermittlung folgender Daten vor:

  • 1. Der Codenummer des PNR
  • 2. Das Datum der Ticket-Reservierung
  • 3. Das Reisedatum
  • 4. Name des Reisenden
  • 5. Eventuell vorhandene Daten zu Vielfliegerprogrammen
  • 6. Die Namen der Mitreisenden, wenn vorhanden
  • 7. Alle verfügbaren Kontaktinformationen wie Adresse und Telefonnummer, sowohl in der Heimat als auch am Zielort
  • 8. Angaben zur Bezahlung des Tickets, inklusive der Kontodaten
  • 9. Details zum Reiseweg mit eventuellen Zwischenstopps
  • 10. Name des Reisebüros
  • 11. Eine mögliche zweite Flugnummer, falls der Flug von zwei Gesellschaften betrieben wird
  • 12. Aufgeteilte und abgetrennte Informationen des PNR - zum Beispiel im Fall, dass ein Mitreisender umbucht oder eine separate Route nimmt
  • 13. Reisestatus des Passagiers: Hat er den Check-in-Schalter passiert? Ist er an Bord? Welche Teilstrecken ist er schon geflogen?
  • 14. Ticket-Informationen - inklusive Ticketnummer, Angaben zu ausgestellten One-Way-Tickets und automatisierten Flugpreis-Angeboten
  • 15. Alle Gepäck-Informationen wie etwa Gewicht und Zahl der Gepäckstücke
  • 16. Alle Sitzangaben
  • 17. Allgemeine Bemerkungen zu Essenswünschen oder Sonderservices
  • 18. Sämtliche Angaben, die im so genannten "Advanced Passenger Information System" (APIS) gespeichert sind. Dazu gehören Name, Geschlecht, Ausweisnummer, Biometriedaten, Wohnort, Nationalität, Geburtsort und -datum.
  • 19. Sämtliche Veränderungen des PNR seit Beginn der Buchung in den Punkten 1-18

Die amerikanischen Behörden bekommen so ein exaktes Profil des Passagiers. Sie werden zum Beispiel darüber informiert, ob ein Passagier kein Schweinefleisch essen will. Sie wissen, ob ein Passagier häufig per Flugzeug fliegt, sie kennen Kreditkartennummern, E-Mail-Adressen und bekommen bei Vielfliegern einen ungefähren Überblick darüber, wo ein Passagier in den vergangenen Jahren gewohnt hat.

Farbenskala für die Kategorisierung

Ein ungeheurer Wissensschatz mit persönlichen Details. Einige Verantwortliche im Heimatschutzministerium forderten sogar, dass die Daten 40 Jahre lang gespeichert werden sollten. Informationen, die auf die Religionszugehörigkeit schließen lassen, sollen zwar schnell wieder gelöscht werden. Allerdings macht das Ministerium eine Ausnahme: Wenn der Passagier nach Ansicht der Behörden terroristische Absichten hegt, können diese Informationen auch länger gespeichert werden.

Es gibt eine zentrale Sammelstelle, in denen all diese Daten nach ihrer Ankunft in den USA verwaltet werden: ein Computerserver im Nationalen Datenzentrum des "Bureau of Customs and Border Protection", einer Behörde im Geschäftsbereich des Heimatschutzministeriums in Washington. Von dort aus wird das so genannte "Automated Targeting System" (ATS) gesteuert. Das Computersystem mit dem martialischen Namen galt lange Zeit als geheim. Es gleicht die eingegangenen Daten mit den Profilen von Terrorverdächtigen ab. Zudem werden Passagiere nach der Untersuchung ihrer Datensätze vom Computer nach Risikostufen kategorisiert. "Grün" steht für Unbedenklichkeit. Landet ein Passagier in der Kategorie "gelb", wird er bei der Einreise genau befragt und untersucht. "Rot" bedeutet Einreiseverbot. Wie diese Zuordnung genau funktioniert, ist weitgehend unbekannt.

Bush will weiteres Kontrollsystem

Ein neues Gesetz sieht darüber hinaus noch ein weiteres Kontrollsystem vor: Es ist bereits vom Kongress verabschiedet und von US-Präsident George W. Bush unterzeichnet worden. Fluggäste aus dem Ausland sollen sich demnach künftig mindestens 48 Stunden vor dem Flug beim Heimatschutzministerium anmelden müssen. Auch die Ausreise von westlichen Fluggästen wird schärfer kontrolliert werden. Details über den Zeitplan und die Art der Kontrollen sind bisher aber noch nicht veröffentlicht worden. Experten befürchten, dass bei der Flug-Anmeldung noch weitere Daten abgefragt werden.

Mit diesen so genannten "Entry-Exit-System" wollen die US-Behörden mehr Kontrolle über die Reisebewegungen gewinnen. "Bekannte Terrorverdächtige bereits vor Betreten des Flugzeuges festzunehmen", sagt Heimatschutzminister Michael Chertoff, sei eine "entscheidende Sicherheitsmaßnahme". Außerdem soll verhindert werden, dass die Höchstverweildauer für Touristen von 90 Tagen überschritten wird.

Die gesammelten Daten werden jedoch nicht nur zur Überprüfung von Passagierlisten verwendet. Alle Behörden, die am Kampf gegen den Terrorismus beteiligt sind, können für die Dauer von sieben Jahren darauf zurückgreifen, zum Beispiel das FBI. Auch, wenn es um die Bekämpfung gewöhnlicher Kriminalität geht und "andere gesetzliche Erfordernisse" dies verlangen. Von Washington aus können die Datendossiers über ausländische Besucher also unter nicht näher definierten Umständen eine geheime Amerikareise antreten. Kein Europäer weiß, warum. Und auch nicht, wohin die Reise führt. Deutsche Datenschützer sind entsetzt. Alexander Dix, Berliner Datenschutzbeauftragter, empfahl sogar, nicht zwingend nötige USA-Reisen ausfallen zu lassen.

Im Kampf gegen den Terror lassen sich die Amerikaner nicht gern in die Karten schauen. Selbst wenn das Spiel mit gesammelten Informationen über deutsche Staatsbürger gespielt wird.