Nach tagelangen Spekulationen über den wahren Gesundheitszustand von Papst Johannes Paul II. hatte alle Welt gespannt auf seinen ersten öffentlichen Auftritt gewartet. Den Papst wieder persönlich zu sehen, sein vertrautes Gesicht und seine lebendigen Augen - das sollte die besorgten Gläubigen beruhigen. Und tatsächlich präsentierte sich Johannes Paul II. am Sonntag am offenen Fenster der römischen Gemelli-Klinik mit gesunder Gesichtsfarbe und wachen Augen. Dennoch ist die Sorge mit diesem Auftritt nur weiter gewachsen: Die Stimme des 84-jährigen Pontifex war heiser, brüchig und schwach - und soll Gerüchten zufolge schon im Vorfeld auf Tonband aufgenommen worden sein, als der Papst noch im Krankenbett lag.
Die Frage, die alle bewegt: Wird der Papst bald überhaupt nicht mehr sprechen können? "Der Albtraum, dass er die Sprache verliert, besorgt die Männer im Vatikan", schrieb die italienische Tageszeitung "Corriere della Sera" am Montag.
Bereits vor zwei Jahren, als der an der Parkinson-Krankheit leidende Papst erstmals Probleme beim Sprechen zeigte, hatte der argentinische Kardinal Jorge Mejia gesagt, ein Verlust der Sprache würde unausweichlich die Frage nach einem Verzicht auf das Pontifikat nach sich ziehen. "Ein Stummer kann die Eucharistie nicht feiern".
Ein Knacken im Lautsprecher
Und so hat der Auftritt in der Gemelli-Klinik die Gemüter nicht beruhigt, sondern nur neue Spekulationen angeheizt. Zu energisch bestritt Vatikan-Sprecher Joaquín Navarro-Valls die Playback-Aufnahme des päpstlichen Segens. Zu offensichtlich war es, dass irgendetwas nicht stimmte: Johannes Paul II. setzte zunächst mit verständlicher Stimme zum Segen "Sit nomen Domini benedictum" an, während ihm ein Vertrauter aber gleichzeitig das Blatt zum Ablesen der Formel so vor das Gesicht hielt, dass der Mund des Pontifex vollständig verdeckt war. Dann Stille, ein Knacken und mit rauer, deutlich veränderter Stimme das Ende des Segens.
So sehr sich der Vatikan auch bemüht, den Eindruck einer stetigen Verbesserung des päpstlichen Gesundheitszustandes zu verbreiten - die Sorge ist groß. Auch Kardinal Walter Kasper sagte, Johannes Paul II. müsse sich unbedingt weiter ausruhen und solle besser nicht zu früh in den Vatikan zurückkehren: "Was, wenn er einen Rückfall hätte?", fragte Kasper.
Obwohl er die derzeitige Krise nach Auskunft seiner Ärzte überwinden wird, sind die Risiken für den Parkinson-Patienten groß. "Parkinson kann man nicht heilen, man kann den Krankheitsverlauf nur verzögern", sagte sein Narkose-Arzt Corrado Manni. Will heißen: Die Symptome wie eine undeutliche, schwache Stimme und eine flache Atmung werden den Papst weiter plagen - auch wenn die akute Kehlkopfentzündung überwunden ist.