Diesmal ist es nicht der Sohn des Thronfolgers, der mit rassistischen Untertönen in Großbritannien für Aufregung sorgt, sondern die Tochter der ehemaligen Premierministerin Margaret Thatcher. Carol Thatcher ist im britischen Fernsehen für ihre unverblümte, manchmal leicht naive Art bekannt und für den Sieg im fünften Wettbewerb des landeseigenen Dschungel-Camps. Seitdem arbeitete sie als Außenreporterin der beliebten Vorabendserie "The One Show", die auf dem ersten Sender der BBC jeden Tag die eher leichten Nachrichten-Themen Revue passieren lässt, am liebsten mit Unterstützung von Prominenten.
Cornelia Fuchs
London ist der Nabel der Welt und Europa immer noch "der Kontinent". stern-Korrespondentin Cornelia Fuchs beschreibt in ihrer wöchentlichen stern.de-Kolumne das Leben zwischen Canary Wharf und Buckingham Palace, zwischen Downing Street und Notting Hill.
In dieser Woche hat Carol Thatcher aber nicht nur über Schnee vor ihrer Haustür berichtet, sondern auch mit den Moderatoren und Gästen über die Australischen Open diskutiert - jedoch nach Aufzeichnung der Sendung hinter der Bühne. Dabei soll sie, so sagen es BBC-Produzenten, einen schwarzen Tennis-Spieler als "golliwog" beschrieben haben. Dieser Begriff war einmal Anfang des 20. Jahrhunderts der Name einer Kinderbuch-Figur mit wilden, abstehenden schwarzen Haaren, schwarzer Haut, großen Kulleraugen und dicken roten Lippen, deren erster Auftritt beschrieben wurde als "ein furchtbarer Anblick, der schwärzeste Gnom".
Jahrzehntelang schmückte das inzwischen zu "Golli" umbenannte schwarze Maskottchen die Gläser der Marmeladen-Fabrik Robertson's, bis diese ihn nach Protesten entfernte. Die Kinderbuchautorin Enid Blyton ließ einen Golliwog noch mit seinem Freund Nigger das Lied der nach und nach sterbenden "Zehn kleinen Negerlein" singen und ansonsten dem ehrlichen (und weißen) Protagonisten Noddy das Auto stehlen.
Thatcher verweigert Entschuldigung
Spätestens seitdem englische Soldaten im Zweiten Weltkrieg den Begriff "Wog" für alle dunkelhäutigen Menschen benutzten und für jeden getöteten Araber einen Golliwog-Anstecker auf ihre Uniform hefteten, war der Begriff umstritten. In Leserbriefen schreiben Zuschauer der BBC, dass sie in den 60er Jahren als dunkelhäutige Kinder zum Beispiel im englischen Norden mit "Golliwog" gehänselt wurden, auf rassistischen Flugblättern wurde der Golliwog als Maskottchen missbraucht.
Wie auch der Begriff "Paki", den Prinz Harry vor einigen Wochen in einem Privatvideo angesichts eines pakistanischen Soldaten-Kameraden benutzte, hat sich die Wahrnehmung des Wortes "Golliwog" in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert. Wie in Deutschland der Sarotti-Mohr heute als nicht mehr zeitgemäß zum Sarotti-Magier wurde, so wirkt auch der Golliwog inzwischen wie eine böse rassistische Karikatur.
Carol Thatcher besteht jedoch darauf, dass ihre Bemerkung über den dunkelhäutigen Tennis-Spieler lustig gemeint gewesen sei. Sie verweigerte auch eine Entschuldigung gegenüber der BBC-Show. Die wiederum beendete daraufhin die Zusammenarbeit mit Thatcher.
Golliwogs in Souvenirläden
In den britischen Zeitungen tobt der Streit darüber, ob diese Reaktion auf eine Bemerkung, die immerhin nicht auf Sendung erfolgte, sondern unter Arbeitskollegen, angemessen sei. Die konservativen Kolumnisten werfen der BBC unnötige politische Korrektheit vor. Und die liberalen Schreiber attackieren wiederum die Konservativen mit dem Vorwurf, sie hätten nichts vom Kampf gegen Rassismus verstanden.
Währenddessen hat die Boulevard-Zeitung "The Sun" die Kontroverse dazu genutzt, Golliwogs in der Nähe der königlichen Familie zu finden: In den Souvenirläden des Schlosses Sandringham werden die schwarzen Figuren für knapp sechs und zehn Pfund verkauft. Oder wurden - der Palast ließ verlauten, dass die Ware ab sofort nicht mehr angeboten wird. Und dass die Queen vom Angebot dieser Erinnerungsstücke nichts gewusst habe.