Der Vorwurf ist für George W. Bush nicht neu. Schon in den letzten Tagen des Wahlkampfs vor vier Jahren warfen Mitarbeiter des damaligen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Al Gore dem Republikaner Bush vor, sich während seiner Dienstzeit in der Nationalgarde ein ganzes Jahr lang unerlaubt abgesetzt zu haben. Bush war es damals gelungen, die Kritik im Keim zu ersticken. Doch nun hat sie ihn wieder eingeholt und an Bedeutung gewonnen.
Zum einen ist Bush jetzt Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte und hat seit seinem Amtsantritt den Befehl zum Krieg gegen zwei Länder, Afghanistan und den Irak, gegeben. Zum anderen steht ihm mit dem demokratischen Spitzenreiter John Kerry ein gestandener Vietnamkriegsveteran gegenüber, der die Patriotismuskarte besser als der Präsident ausspielen könnte.
Leichteres Spiel für Kerry als für Gore
Für Kerry wäre es nach Einschätzung von Beobachtern viel leichter als für Gore vor vier Jahren, Bush als Drückeberger anzuprangern. Schließlich hatte dem damaligen Vizepräsidenten Gore selbst ein wenig der Ruch angehaftet, seine guten Beziehungen ausgenutzt zu haben, um einen relativ sicheren Posten als Militärjournalist in Vietnam zu ergattern.
Bush hatte auf dem Höhepunkt des Vietnamkriegs ebenfalls eine sichere Alternative zur Einberufung gewählt. In einem Interview 1989 hatte er freimütig eingestanden, dass er damals über seine Zukunft nachgedacht habe und zu dem Schluss gekommen sei, dass er nicht als gemeiner Soldat in den Krieg ziehen sondern lieber fliegen lernen wollte.
Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Time" katapultierte sich Bush, dessen Vater damals Abgeordneter war, trotz schlechter Ergebnisse bei den Piloteneignungstests an 500 Mitbewerbern vorbei und bekam einen der begehrten Ausbildungsplätze als Pilot in der texanischen Nationalgarde. Er verpflichtete sich nach seinem Studienabschluss 1968 für sechs Jahre bei der Nationalgarde und entging damit der Einberufung nach Vietnam.
Weißes Haus legt Soldzettel zum Beweis vor
Strittig ist vor allem, was Bush gegen Ende seiner Dienstzeit machte, als er sich von Texas nach Alabama versetzen ließ. Zunächst gab es keine Hinweise, dass er sich von Mai 1972 bis Mai 1973 je bei der Nationalgarde in Alabama gemeldet hatte. Nun präsentierte das Weiße Haus Soldzettel, die belegen sollen, dass sich Bush in dieser Zeit an 14 Tagen zum Dienst meldete und damit seiner Dienstpflicht "befriedigend" nachkam.
Doch es bleiben weiter Lücken und der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, hatte am Dienstag Schwierigkeiten, Antworten auf die ungewöhnlich bohrenden Fragen der Korrespondenten zu finden, etwa warum sich niemand in Alabama an Bush erinnern könne. Auch der Offizier, dem Bush in Alabama unterstellt war, könne sich nicht erinnern, den jungen Piloten je gesehen zu haben, heißt es.
"Weiter kein Beweis"
Damit dürfte das Thema für Bush, der sich bei der Verkündung des Endes der größeren Kampfhandlungen im Irak werbewirksam in Fliegeruniform auf einem Flugzeugträger präsentiert hatte, weiter brisant bleiben. Der Geschäftsführer der Demokratischen Partei, Terry McAuliffe, der die Debatte kürzlich wieder mit dem Vorwurf eröffnet hatte, Bush habe sich unerlaubt von der Truppe entfernt, zeigte sich am Dienstag unbeeindruckt. Die "Los Angeles Times" zitierte ihn mit den Worten, es gebe weiter keinen Beweis dafür, dass sich Bush in Alabama zum Dienst gemeldet habe.