Bei der Jagd auf den unheimlichen Heckenschützen in den USA hat die Polizei heute in Richmond im Bundesstaat Virginia zwei Männer festgenommen. Der unbekannte Täter hat sich fast gleichzeitig bei der Polizei gemeldet. Fahndungsleiter Charles Moose teilte mit, dass eine neue Botschaft eingegangen sei und eine Antwort vorbereitet werde. Die Polizei hatte den Täter nach dem letzten Anschlag aufgefordert, eine bestimmte Telefonnummer anzurufen, die er in einer Nachricht am Tatort genannt hatte.
Nach Zeugenaussagen fuhr einer der Festgenommenen mit einem weißen Lieferwagen zu einer Telefonzelle. Eine zweite Person wurde nach Medienberichten an anderer Stelle in Richmond festgenommen. Ob der Scharfschütze, der seit dem 2. Oktober neun Menschen erschoss und bis zu drei verletzte, den Behörden in die Falle ging, war unklar.
Moose ging in einem kurzen Auftritt vor der Presse nicht auf die Festnahme ein. Er gab ohne Nennung von Einzelheiten bekannt, dass die Polizei eine Nachricht empfangen habe und eine Antwort vorbereite. Nach dem letzten Anschlag aus dem Hinterhalt hatte der Täter eine Botschaft hinterlassen. Die Polizei hatte den Autor aufgefordert, eine Telefonnummer anzurufen, »die Sie uns gegeben haben.« Ob es sich um einen privaten Anschluss, eine Handynummer oder die Nummer einer Telefonzelle handelte, sagte Moose nicht.
Bis zu 30 Polizeifahrzeuge riegelten heute nach Zeugenaussagen eine Tankstelle rund 25 Kilometer südlich vom Tatort des jüngsten Anschlags entfernt ab, wo sich die offene Telefonzelle befand. Der Festgenommene sei in einem weißen Van des Modells Plymouth Voyager mit einem provisorischen Nummernschild vorgefahren. Nach Angaben eines Polizeisprechers stieg der Mann nicht aus, sondern griff durch das Autofenster zum Hörer. Das Fahrzeug sei dem Lieferwagen, das der Heckenschütze nach Zeugenaussagen mutmaßlich gefahren hat, so ähnlich gewesen, dass die Behörden zugegriffen hätten.
Offiziell existiert kein Phantombild
Obwohl die kriminaltechnische Bestätigung noch fehlte, zweifelten die Behörden heute kaum noch daran, dass es der Heckenschütze war, der am Samstagabend auf einem Parkplatz bei einem Restaurant in Ashland (Bundesstaat Virginia) den Schuss auf einen 37-jährigen Mann abfeuerte.
Der Scharfschütze hatte bereits am 7. Oktober nach dem Anschlag auf einen 13 Jahre alten Schüler eine Tarot-Karte mit dem Bild des Todes und der Aufschrift »Dear Policeman, I am God« (Lieber Polizist, ich bin Gott) hinterlassen. Die Zeitung »Richmond Times-Dispatch« berichtete heute, dass mehr als diese eine Tarot-Karte an Schauplätzen der Verbrechen gefunden worden seien.
Auf Grund eines Phantombildes, das der französische Fernsehsender M6 vor zwei Wochen zeigte, wollen frühere Kameraden einen 25 Jahren Deserteur der französischen Armee als möglichen Heckenschützen erkannt haben. Frankreich habe die USA über das Verschwinden des Mannes informiert, teilte die Polizei mit. Zur Zeit werde er über die internationale Fahndungsbehörde Interpol gesucht.
Ein Phantombild des Schützen existiert offiziell bisher nicht. Die Polizei hatte es zunächst angekündigt und dann darauf verzichtet, weil die Zeugenaussagen zu ungenau seien. Ein angeblicher Tatzeuge, der den Täter beschrieben hatte, wurde als Lügner entlarvt und wegen Falschaussage angeklagt.
Vor der jüngsten Bluttat hatte das Opfer gegen 20.00 Uhr das Restaurant in Ashland rund 140 Kilometer südlich von Washington mit seiner Frau verlassen und war zu seinem parkenden Wagen gegangen. Der Schuss wurde von einem kleinen Wald hinter dem Restaurant abgefeuert.
Ende der Serie?
Nach zwei Operationen in einem Krankenhaus der Staatshauptstadt Richmond war sein Zustand heute nach Auskunft der Ärzte relativ stabil. »Er hatte eine gute Nacht«, sagte sein Chirurg. Am Sonntag holten die Ärzte bei einem zweiten Eingriff die Kugel aus seinem Körper. Sie gilt als wichtiges Beweisstück.
Weil sich der »Sniper« mehrere Tage lang nicht gerührt und bisher auch nie an einem Wochenende zugeschlagen hatte, war zaghaft die Hoffnung auf ein Ende der Serie von Bluttaten gekeimt. Der Schuss von Ashland gilt als Signal, dass der Heckenschütze nicht aufhören will, obwohl sich inzwischen auch das Militär mit modernsten Aufklärungsflugzeugen an der Jagd nach ihm beteiligt.