"Auch im Krieg geht es um Wiederaufbau", sagt Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) am Dienstagmorgen in Berlin. "Die Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf, sie brauchen Strom, eine Gesundheitsversorgung, die Kinder müssen zur Schule gehen." Am Dienstag startet in Berlin die Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine. Aber: Worum geht es eigentlich genau?
Wie hoch sind die bisherigen Kriegsschäden in der Ukraine?
Die von Russland in der Ukraine bereits angerichteten Schäden werden von der Weltbank auf mindestens 486 Milliarden Dollar (rund 446 Milliarden Euro) geschätzt. Ganze Landstriche sind zerstört, laut Recherchen der "New York Times" liegen allein entlang der Front rund 210.000 Gebäude in Trümmern. Mehr als als 900 Schulen, Krankenhäuser, Kirchen und andere zivile Einrichtungen seien beschädigt oder zerstört – obwohl sie eigentlich durch die Genfer Konventionen geschützt sind.
Russland bombardiert seit Wochen nahezu ohne Unterlass das ukrainische Netz zur Energieversorgung. Hunderttausende Menschen sind ohne Strom. Seit dem Winter wurden nach Angaben Kiews die Hälfte der Kapazitäten zur Stromerzeugung zerstört. Auch andere Bereiche wie Trinkwasserversorgung, Krankenhäuser und Schulen werden immer wieder Ziel von Zerstörungen.
Die EU hat am 14. Mai den sogenannten "Ukraine-Plan" akzeptiert und den Weg für Milliardenzahlungen freigemacht. Mit dem Plan hatten die Ukraine erklärt, wie der Wiederaufbau, aber auch Modernisierung und Reformen gelingen können.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) rief zu Konferenzbeginn auch private Unternehmen auf, sich mit Investitionen daran zu beteiligen. "Angesichts der Dimension, über die wir hier reden, muss privates Kapital hinzukommen."
Was wird bei der Wiederaufbaukonferenz besprochen?
Es ist keine Geberkonferenz, bei der Geld für den Wiederaufbau der Ukraine nach Kriegsende gesammelt werden soll. Es geht vielmehr um die Vernetzung der relevanten Akteure aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen. Ziel ist es, Initiativen zur Unternehmensförderung oder Fachkräfteausbildung auf den Weg zu bringen. "Wir machen hier auf der Wiederaufbaukonferenz deutlich, dass wir gemeinsam nicht nur dem brutalen russischen Angriff trotzen, sondern dass wir den Weg ebnen für die Ukraine in unsere Europäische Union", sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).
Angesichts massiver Angriffe Russlands geht es bei dem Berliner Treffen aber auch um Nothilfe mitten im Krieg. Scholz rief zur weiteren Stärkung der Luftverteidigung des Landes gegen russische Angriffe auf. Die Verbündeten sollten eine entsprechende deutsche Initiative "mit allem, was möglich ist" unterstützen. "Denn: Der beste Wiederaufbau ist der, der gar nicht stattfinden muss."
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Ist es die erste Konferenz dieser Art?
Nein. Ähnliche Konferenzen gab es 2022 schon im schweizerischen Lugano und 2023 in London. Für die Ukraine sei es wichtig, "den Blick zu weiten in die Zukunft und über den militärischen Kampf hinaus", sagte ein deutscher Regierungsvertreter im Vorfeld des Berliner Treffens. Der Wiederaufbau sei "eine ständige Aufgabe", und wichtig für später sei die Vernetzung der Ukraine auf allen Ebenen mit dem Westen.
Wie lange geht das Treffen?
Los ging es am Dienstagvormittag mit einer Rede des Bundeskanzlers. Das zweitägige Treffen findet auf dem Berliner Messe-Gelände statt. Zu Ehren der Ukraine wurde der dortige Funkturm, ein 147 Meter hohes Wahrzeichen der Hauptstadt, in der Nacht zu Dienstag in den Landesfarben Blau und Gelb angestrahlt. Am Dienstag- und Mittwochabend soll zusätzlich auch der Berliner Fernsehturm am Alexanderplatz jeweils bis 24 Uhr in den Farben der Ukraine erstrahlen.
Die Konferenz ist Auftakt einer ganzen Serie von Gipfeln, die sich mit der Ukraine befassen. Nach der Wiederaufbaukonferenz findet der G7-Gipfel im süditalienischen Apulien statt. Dabei wird es unter anderem darum gehen, wie eingefrorenes russisches Vermögen zur Unterstützung der Ukraine genutzt werden kann. Anschließend geht es für Scholz und auch Selenskyj weiter zur Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz, zu der sich nach Angaben der Regierung in Bern bislang rund 40 Staats- und Regierungschefs angemeldet haben. Eingeladen waren rund 160. Weitere gut 40 Staaten sollen mit anderen hohen Regierungsvertretern dabei sein.
Wer nimmt teil?
Es werden rund 2000 Vertreter aus etwa 60 Ländern erwartet. Die Teilnehmer der Konferenz kommen ungefähr je zu einem Drittel aus Regierungen und internationalen Organisationen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sowie Kommunen und Regionen. "Es reicht nicht mehr, nur staatliche Vertreter zu haben", sagte Ministerin Schulze am Morgen. Deshalb gebe es ein "breites Einladungsspektrum" für die gemeinsam von Deutschland und der Ukraine organisierte Konferenz. Dies sei wichtig, "damit eines Tages die Ukraine nicht nur frei ist, nachdem sie diesen Krieg gewonnen hat, sondern wieder auf wirtschaftlich eigenen Füßen stehen kann in einem gemeinsamen, vereinten Europa", so Baerbock.
Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist dafür angereist. Es ist sein dritter Berlin-Besuch seit Beginn der russischen Invasion vor mehr als zwei Jahren. Am Morgen traf Selenskyj bereits Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue. Am Nachmittag will er im Bundestag sprechen.