Nach Putins Wiederwahl Glückwünsche zum "außerordentlichen Sieg": Nur Autokraten gratulieren dem Kremlchef

Mit 87 Prozent weiter an der Macht: Wladimir Putin nach seinem Wahlsieg
Mit 87 Prozent weiter an der Macht: Wladimir Putin nach seinem Wahlsieg
© Vyacheslav Prokofyev / TASS / Action Press
Russlands Staatschef Wladimir Putin wurde mit Rekordergebnis im Amt bestätigt. Zwei politische Verbündete gratulieren – der Rest der Welt schweigt.

Nach einer als Farce kritisierten Präsidentenwahl in Russland wird der Machtapparat an diesem Montag Kremlchef Wladimir Putin als haushohen Sieger feiern. Nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmzettel erhält der 71-Jährige, der seit rund einem Vierteljahrhundert an der Macht ist, laut der Wahlkommission mehr als 87 Prozent. 

Dabei handelt es sich zwei Jahre nach Beginn von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine um ein Rekordergebnis, das allerdings Beobachtern zufolge nur durch Repression, Zwang und Betrug erreicht worden sein soll. Schon vor Beginn der dreitägigen Abstimmung am vergangenen Freitag hatten auf dem Roten Platz in Moskau Vorbereitungen für eine große Siegesfeier begonnen.

Noch am Sonntagabend bedankte sich Putin bei seinen Landsleuten für die Teilnahme an der Präsidentschaftswahl. "Wir sind ein geeintes Team, alle russischen Bürger, die in die Wahllokale gekommen sind und gewählt haben", sagte Putin in einer Rede vor seinem Wahlkampfteam, die vom Staatsfernsehen übertragen wurde. Die Wahlergebnisse zeigten das "Vertrauen" der Russen in seine Führung.

Gleichgesinnte gratulieren Wladimir Putin

Mehrere autoritäre Staaten gratulierten dem frisch bestätigten Kremlchef. China hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Wahlsieg beglückwünscht. Die chinesische Seite gratuliere dazu, sagte der am Montag neu vorgestellte Außenamtssprecher Lin Jian in Peking. China und Russland seien "strategische Partner in der neuen Ära". Unter der Führung von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und Russlands Präsident Putin würden die Beziehungen der beiden Länder weiter voranschreiten, sagte er. 

"Mit mehr als 87 Prozent (der Stimmen) hat Putin den Krieg gegen das Imperium des kollektiven Westens völlig gewonnen", zitierte die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass den venezolanischen Staatschef Nicolás Maduro. Maduro, der Venezuela seit 2013 autoritär regiert und sich im Sommer wiederwählen lassen will, bezeichnete den Sieg des "älteren Bruders" als gutes Vorzeichen für die ganze Welt. 

Auch Nicaraguas Präsident Daniel Ortega sprach von einem Triumph, der zur Stabilität und einer besseren Zukunft der Menschheit beitragen werde. Die Wahlen selbst seien vorbildlich und ruhig verlaufen, sagte Ortega demnach. Über den Onlinedienst X (vormals Twitter) veröffentlichte Maduro zudem ein Foto von sich unt Putin. Mit dem Post gratulierte er dem Kremlchef und bezeichnete die Abstimmung als "tadellosen Wahlprozess".

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Tadschikistans Präsident Emomali Rachmon, der die zentralasiatische Ex-Sowjetrepublik seit Anfang der 1990er Jahre regiert und damit länger als Putin im Amt ist, sprach von einem überzeugenden Sieg des russischen Präsidenten. Er hoffe auf die weitere Entwicklung der bilateralen Beziehungen, heißt es in einer Mitteilung des Pressedienstes von Rachmon.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einem Bericht zufolge nicht wie in solchen Fällen üblich zu seiner weiteren Amtszeit gratulieren. "Es wird kein Schreiben an Putin geben", erklärte Steinmeiers Sprecherin Cerstin Gammelin am Sonntagabend auf Anfrage des Berliner "Tagesspiegel".

Zuvor hatte Steinmeier ein Statement verbreiten lassen, in dem er erklärte, er denke am Wahltag "an die Menschen in Russland, die dort für Freiheit und Demokratie kämpfen und in ständiger Gefahr vor Putins Regime leben". "Diese Mutigen" würden nicht vergessen. Steinmeiers Sprecherin schrieb im Onlinedienst X am Sonntag zudem von "sogenannten Präsidentschaftswahlen in Russland". 2018 hatte Steinmeier Putin noch zur Wiederwahl gratuliert.

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Wie der Bundespräsident wird auch Bundeskanzler Olaf Scholz Putin nicht zu der Bestätigung im Amt gratulieren. "Es war keine demokratische und faire Wahl", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag in Berlin zu den Wahlen in Russland. "Der Bundeskanzler hat nicht gratuliert", fügte sie hinzu. "Russland ... ist heute eine Diktatur und wird von Wladimir Putin autoritär beherrscht." Auf die Frage, ob man Putin künftig als Präsident oder Machthaber bezeichne, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes, dass man in letzter Zeit nur noch den Namen Putin ohne Amtsbezeichnung benutze.

Wie die Ukraine hat auch Polen die Abstimmung als "nicht legal" kritisiert. "Russlands Präsidentschaftswahl ist nicht legal, frei und fair", erklärte das Außenministerium in Warschau am Sonntagabend. Die Wahl sei "unter scharfen Repressionen" und in besetzten Teilen der Ukraine unter Missachtung internationalen Rechts abgehalten worden.

Russland-Korrespondent Rainer Munz berichtet zum Start der Präsidentschaftswahlen aus Moskau
Russland-Korrespondent Rainer Munz berichtet zum Start der Präsidentschaftswahlen aus Moskau
© n-tv / RTL
Korrespondent über Wahl in Russland: "Viele rechnen mit deutlichen Gesetzesverschärfungen"

Proteste mischen Russland-Wahlen auf

Die Abstimmung wurde von einer bemerkenswerten Protestwelle begleitet. Zudem wurden zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen etwa Angestellte von Staatsbetrieben zur Stimmabgabe gedrängt und teils sogar aufgefordert wurden, ihre ausgefüllten Wahlzettel abzufotografieren. Kritiker beklagten zudem, dass insbesondere das Online-Verfahren leicht manipulierbar sei. Ebenfalls dokumentiert wurde, wie massenhaft vorab ausgefüllte Stimmzettel in Wahlurnen gestopft wurden.

Außerdem leben von den 114 Millionen Menschen, die Moskau zur Wahl aufrief, mehr als 4,5 Millionen in den vier ukrainischen Gebieten Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja, die Russland im Zuge des Kriegs völkerrechtswidrig annektierte. Wahlen sind dort illegal und werden international nicht anerkannt.

Beobachter haben die von Protesten begleitete Abstimmung auch deshalb als undemokratisch eingestuft, weil keine echten Oppositionskandidaten zugelassen waren. Putins drei Mitbewerber waren nicht nur alle auf Kremllinie, sondern galten auch von vornherein als komplett chancenlos.

Zudem gibt es in Russland keine Versammlungsfreiheit, und die vom Kreml gesteuerten Medien sind gleichgeschaltet. Unabhängige Medien werden politisch verfolgt. Andersdenkende, die Putins Krieg gegen die Ukraine oder den Machtapparat kritisieren, riskieren Strafen bis hin zu Lagerhaft.

Aus all diesen Gründen hatten am letzten Wahltag in ganz Russland Tausende Menschen den staatlichen Einschüchterungsversuchen getrotzt und an einer stillen Widerstandsaktion teilgenommen: Um exakt 12.00 Uhr Ortszeit versammelten sie sich in vielen Städten unter dem Motto "Mittag gegen Putin" vor ihren jeweiligen Wahlbüros. So wollten sie ihren Unmut zum Ausdruck bringen und zeigen, dass sie gegen den Krieg sind. Obwohl die Aktion friedlich und ruhig verlief, wurden Bürgerrechtlern zufolge bis zum Abend mindestens 85 Menschen festgenommen. 

Auch im Ausland gab es zahlreiche Protestaktionen vor russischen Botschaften und Konsulaten. In Berlin erschien überraschend die Witwe des kürzlich im Straflager ums Leben gekommenen Kremlgegners Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja. Sie betrat auch die Botschaft – und erklärte danach, den Namen ihres verstorbenen Mannes auf den Wahlzettel geschrieben zu haben.

DPA · Reuters · AFP
cl / mkb