Zusammenbruch Mit den Amerikanern kam die Anarchie

Nachdem US-Soldaten das Machtsystem von Saddam Hussein gestürzt haben, plünderte das Volk alles , was für das Gemeinwesen bisher wichtig war.

"Hauptsache ist, dass wir das zerstören", sagen Jassir (20) und Samen (23), während sie suchend durch die Gänge der geplünderten Klinik für Privatpatienten im Zentrum von Bagdad streifen. Auf der Schulter eine gestohlene Sauerstoffflasche scherzt der Ältere. "Wir sind das erste Mal hier", sagt der junge Mann, der Angestellter als Berufsbezeichnung nennt. Vor der Tür stehen am Freitag noch Kleinlaster zum Abtransport bereit.

Plünderer nehmen keine Rücksicht

Zwischen gefledderten Akten liegen Medizinampullen und Tabletten im Dreck. Neueste Siemens-Medizintechnik liegt zerschlagen herum. Ein Gabelstapler im Hof war wohl nicht zu starten. Egal, dann wurde eben das Lenkrad abmontiert. Rücksicht wollen die Plünderer nicht nehmen, zumal die dem Olympischen Komitee angegliederte Klinik vom alten Regime mit modernsten Geräten für Privatpatienten ausgestattet wurde. Ob sie jetzt auch einem neuen Irak dienen könnte, ist zunächst keine Frage. Anarchie scheint sich in der irakischen Hauptstadt breit zu machen.

Nachdem US-Soldaten das Machtsystem von Saddam Hussein gestürzt haben, nimmt sich das Volk nun offensichtlich alles vor, was für das Gemeinwesen bisher wichtig war. Am Freitag fuhren überall in Bagdad mit Plündergut beladene Autos umher. Nach dem Sturz des Regimes drei Tage zuvor waren zunächst verhasste Behörden, Ministerien und staatliche Einkaufszentren Ziel der Diebe. Doch auch Hospitäler, die die vielen Verletzten des Krieges versorgen müssen, sind den Plünderern nicht heilig.

Ärzte trauen sich nicht an ihren Arbeitsplatz

So ist die Versorgung der Kranken äußerst gefährdet. Roland Huguenin-Benjamin, Pressesprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), rief am Freitag das amerikanische Militär zum Schutz der Gesundheitseinrichtungen auf. "Nach unserer Ansicht ist das ihre Pflicht", sagte er. "Hospitäler werden von Plünderern attackiert", sagte Huguenin-Benjamin. "Es ist eine große Krise." Viele Ärzte und Mediziner trauen sich wegen der Sicherheitslage in der Stadt nicht zu ihrem Arbeitsplatz.

Auch dem US-Militär, das in den vergangenen Tagen kaum gegen Plünderer vorgegangen ist, gehen die Zerstörungen in Krankenhäusern zu weit. Vor dem großen Klinik-Komplex Medical City sind inzwischen Marines in Panzern vorgefahren. "Das irakische Personal fürchtete, wir könnten die Patienten umbringen wollen", sagt der Marines-Oberst Rob Abbott. "Aber bald war alles klar. Doktoren und die Infanterie laufen nun gemeinsam umher."

Plünderungen schaden dem Vertrauen

Doch der Schaden ist angerichtet. Vor dem geplünderten "Olympischen Krankenhaus" sammelt sich der Zorn derer, die einen funktionierenden Staat wollen. "Wo ist die Sicherheit. Das Krankenhaus hier dient doch dem Volk", schreit ein Mann. "Wo die Amerikaner stehen, darf niemand etwas machen. Das Ölministerium haben sie nicht kaputt machen lassen", sagt er weiter. So schaden die Plünderungen auch dem Vertrauen, das amerikanische Soldaten nach eigenen Worten bei den Menschen in Bagdad aufbauen wollen.

Auch Ahmed Hussein (35) steht in dem geplünderten Krankenhaus. "Ich habe nicht geklaut", sagt er entschuldigend. Neun Jahre habe das Regime von Saddam Hussein ihn ins Gefängnis gesteckt, weil seine Familie aus dem verfeindeten Iran stamme. Seinem Vater, einem Goldschmied, sei ein kleiner Betrieb weggenommen worden. Der Mann sagt: "Ich werde meine Ruhe finden, wenn einer kommt und über uns herrscht in Gerechtigkeit."

DPA