AfD-Erfolg in Sachsen Parteilos, aber auf Linie: Das ist von Pirnas neuem Oberbürgermeister Tim Lochner zu erwarten

Tim Lochner: Erster AFD-Oberbürgermeister Deutschlands: "Ich werde im Rathaus den Logikfaktor definitiv erhöhen"
Sehen Sie im Video: Der erste AFD-Oberbürgermeister Deutschlands – "Ich werden im Rathaus den Logikfaktor definitiv erhöhen".
Videoquelle: rtl.de
Mit Tim Lochner hat erstmals in Deutschland ein Kandidat der AfD eine Kommunalwahl gewonnen. Was ist von Pirnas neuem Oberbürgermeister zu erwarten – und welche Befugnisse hat er?

Für die AfD ist es ein wichtiger Propaganda-Erfolg: Mit Tim Lochner hat die Rechtsaußenpartei zum ersten Mal eine Kommunalwahl in Deutschland gewonnen. 38,5 Prozent der Wähler im sächsischen Pirna stimmten am Sonntag für den 53-jährigen als neuen Oberbürgermeister. Lochner ist zwar kein Mitglied der Partei, deren Landesverband der sächsische Verfassungsschutz für gesichert rechtsextrem hält. Doch abgrenzen will sich der Lokalpolitiker von der Ideologie seiner Mitstreiter offenbar nicht.

"Wenn wir einen Ausländeranteil in gewissen Stadtteilen haben von nachweislich 38 Prozent in den Grundschulen und Kitas, dann ist das für mich schon ein Austausch der einheimischen Bevölkerung", sagte Lochner nach der Wahl dem MDR und wiederholte damit eine Aussage aus seinem Wahlkampf. Dabei gehört die Mär vom "Bevölkerungsaustausch" zu den wirkmächtigsten Verschwörungserzählungen im rechtsextremen Spektrum. Darauf angesprochen erwiderte Lochner, ein Tischlermeister, er habe sich als Privatperson geäußert.

Lochner will Stadtmitarbeiter in Pirna auf Loyalität prüfen 

Bei seinen demokratischen Konkurrenten in der 40.000-Einwohner-Stadt löste aber auch dieser Satz von Lochner Stirnrunzeln aus: "Ich werde die Mitarbeiter im Rathaus versuchen, möglichst einzeln kennenzulernen – und auf Loyalität prüfen", zitierte der MDR den künftigen Verwaltungschef. Was genau Lochner damit meinte, ließ er offen. Es müsse jedenfalls geprüft werden, ob die Personalaufstockungen der vergangenen Jahre die Verwaltung "bürgernaher" gemacht habe, sagte Lochner der Nachrichtenagentur DPA.

Mehr als 250 Menschen arbeiten derzeit in der Stadtverwaltung von Pirna. Als hauptamtlicher Bürgermeister, der in Sachsen auf sieben Jahre gewählt wird, ist Lochner künftig ihr Vorgesetzter. Das heißt, er kann Anweisungen erteilen und deren Umsetzung mit Disziplinarmaßnahmen erzwingen – oder ihre Nichtbefolgung ahnden. Unliebsame Mitarbeiter einfach entlassen kann freilich auch ein Verwaltungschef nicht ohne weiteres.

Sachsens Grüne reagieren besorgt auf Wahl in Pirna

Welchen Einfluss die rechtsextreme Ideologie der AfD künftig auf das politische Geschehen in Pirna hat, ist unklar. Auch wenn Tim Lochner wesentliche Glaubenssätze der Partei zu teilen scheint, ist er bislang nicht als Hardliner aufgefallen. Bis 2016 war Lochner noch Mitglied der CDU, einen Eintritt in die AfD lehnt er bislang ab: "Ich war zuvor Mitglied bei der CDU, habe das Parteibuch aber zurückgegeben. Jetzt will ich kein Parteimitglied mehr sein", zitiert ihn die "Welt". Lochner sitzt seit vielen Jahren im Stadtrat von Pirna. Bei der Wahl 2017 scheiterte er deutlich am damaligen parteilosen Amtsinhaber Klaus-Peter Hanke.

Vertreter anderer Parteien äußerten sich besorgt über den Wahlsieg Lochners. "Die Wahl eines Bürgermeisters einer Partei, die der Verfassungsschutz vergangene Woche als rechtsextrem eingestuft hat, bestürzt uns", schrieb der sächsische Landesverband der Grünen auf X (früher Twitter). "Wir müssen nun alles daran setzen, unser Miteinander zu festigen und Vertrauen in unsere Demokratie wieder zu stärken."

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Warum sich Chinas KP über Lochners Wahlsieg freuen dürfte

Der sächsische Verfassungsschutz hatte die AfD im Freistaat vergangene Woche als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Nach Thüringen und Sachsen-Anhalt ist die sächsische AfD bereits der dritte Landesverband mit einer solchen Einstufung. Diese hat zur Folge, dass der Verfassungsschutz geheimdienstliche Mittel einsetzen kann, um Informationen über extremistische Aktivitäten des Landesverbands zu gewinnen.

Über Lochners Wahlsieg freuen dürfte sich die Kommunistische Partei Chinas. Nach Recherchen des Nachrichtenportals t-online pflegt Lochner enge Beziehungen zum AfD- Europaabgeordneten und Mitglied des AfD-Bundesvorstands, Maximilian Krah. Lochner reiste im November 2019 gemeinsam mit Krah nach China, wo ihm eine Parteiorganisation den Titel eines "Botschafters der Internationalen Freundschaft von Lishui" verlieh. Auch eine Städtepartnerschaft zwischen Pirna und Lishiu, einer Stadt mit 2,5 Millionen Einwohnern, sei diskutiert worden.

Nach der Reise 2019 habe Lochner über Widerstand in der Stadtverwaltung von Pirna gegen die Kooperation mit China geklagt, so t-online. Sollte er Oberbürgermeister werden, wolle er diese Pläne wieder aufnehmen. Seine Nähe zu Maximilian Krah könnte für Lochner aber noch zum Problem werden:  Der Bundesverfassungsschutz stuft Krahs Äußerungen als völkisch-nationalistisch und verfassungsfeindlich ein. Auch innerparteilich ist der China-Bewunderer Krah umstritten: Dessen Buch "Politik von rechts: ein Manifest" sei eindeutig "anti-konservativ, anti-bürgerlich und anti-westlich" schrieb der AfD-Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter in einer Rezension des Buches. 

Quelle: MDR/ t-online/ welt.de

mit dpa/afp

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