Angela Merkel Alle machen an ihr rum

Als erste Regierungschefin sendet Angela MErkel Videobotschaften über das Internet an die Bürger. Die revanchieren sich mit Hohn und Spott. Künftig will die Kanzlerin "peppiger" rüberkommen

Eigentlich ist der Anblick ein bisschen peinlich. Wie die Kanzlerin da sitzt - so einsam in diesem raumschiffartigen Rund. Wie sie spricht - so tranig ins Nichts der Kameralinse hinein. Eigentlich ist der Anblick ein bisschen traurig, wie Angela Merkel jeden Samstag ihre Videobotschaften über Verkehr und Gesundheit in den digitalen Orbit podcastet. Uneigentlich aber muss man sehr lachen. Unvermeidbar. Unüberhörbar. Am lautesten lachen die Blogger.

Alle 5,8 Sekunden entsteht weltweit ein neuer Blog, eine Art Online-Tagebuch mit Musik, Links und Foren, in denen die "blogosphere"-Teilnehmer über sich, die Welt und den restlichen Wahnsinn sinnieren. Zum restlichen Wahnsinn gehört seit Juni auch Angela Merkel, nachdem ein beflissener Berater ihr ans Herz gelegt hatte, als weltweit erster Regierungschef dieses neue Medium zu nutzen. Weil eine bloggende Kanzlerin doch ungemein hip rüberkomme. The medium is the message. Und so hat Angela Merkel also brav ihre Reden - Modell "Neujahrsansprachen" - gehalten, bisher acht an der Zahl für je 6500 Euro Produktionskosten. So langsam und dröge, dass Blogger Thomas Boley schrieb, Merkels Auftritt könne "als Aufklärungsmaterial dienen, um vor den Folgen des Kiffens zu warnen". So steif und unsicher, dass sich viele Blogger animiert fühlten, das erste Podcast der Kanzlerin neu zu bearbeiten.

Zu sehen ist bei diesen Filmchen (www.youtube.com) immer das Original: Angela Merkel in Lachs, die ihr Wort zum Samstag mit wohldosiertem Zucken der Augenbraue vor dem Bild des Reichstags hält. Nur der Ton ist immer anders. Mal spricht sie mit leiernder Stimme: "Heute wende ich mich auf einem ganz neuen Weg an Mutti. Dein Moppelpoppelchen." Mal säuselt sie: "Gewaschen habe ich mich noch nie. Ich möchte Stinkmeister des Jahres 2010 werden." Mal werden ihr Hasenzähne und Löffel digital montiert. Und mal wird sie in ein Musikvideo eingebaut: "Listen to the beat, to the voice so sweet. Ringringringdong, Angie Merkel talking..." Ja, auch diese Töne für Merkels Podcast sind peinlich. Pubertanden-peinlich.

Inzwischen hat die Kanzlerin

gemerkt, dass ihre Art des Podcasting "ein bisschen steif ist, wenn ich da immer vom Teleprompter ablese". Also hat sie sich Lyssa, die erfahrene Bloggerin und Tochter des ehemaligen Kohlschen Landwirtschaftsministers Jochen Borchert, zum Erfahrungsaustausch ins Kanzleramt eingeladen. Angela, die Praktikantin. Lyssa, die Lehrerin. Erst hat Angela Lyssa erklärt, dass sie Obst nicht mag und deshalb so viel Gemüse auf dem Tisch steht. Und dass sie sich gleich nach Amtsantritt den kleinen Globus besorgt hat, weil sie merkte, dass es oft um fremde Länder geht und sie nicht "ganz genau wusste: Wo liegen die? Wie groß sind die?" Dabei hat sie gelächelt, ganz schüchtern, und "das ist dann einfach sehr wichtig, dass man darüber auch ein bisschen was weiß" in Lyssas Mikrofon gesagt. Und Lyssa hat lieb genickt und brav gesagt, dass sie es "einfach großartig" findet, dass die Kanzlerin bloggt. Und dass sie doch ein bisschen lockerer an die Sache herangehen solle. Spontaner. Und kreativer auch. Später, auf dem Weg zum Pförtner, hat Lyssa gejubelt, weil der Besuch im Kanzleramt "so exciting" war. Und die Kanzlerin "so spontaneous"! Oh my god! Noch später hat sie dann das Lehrstundenvideo in ihren Blog gestellt (www.lyssa-lounge.de) - und die anderen Blogger haben sich sogleich ihre Mäuler "über diese PR-Nummer" zerrissen.

Es ist schon wirklich ein merkwürdiger Anblick, wie Angela Merkel darin so verklemmt und doch redlich bemüht das Bloggen lernen will. Bloggen ist neu. Und jung. Und trendy. Angela Merkel aber ist so anders als die anderen in der "blogosphere". Vielleicht ist sie einfach nicht reif für das Medium. Vielleicht ist das Medium auch noch nicht reif für sie.

In der vergangenen Woche wurde entschieden, dass die Merkel-Blogs bis zum Jahresende von einer neuen Firma produziert werden. Von Stoibers Schwiegersohn. Für 44 000 Euro alles in allem. Sie sollen "ein bisschen peppiger" werden, hat der Geschäftsführer gesagt. Peppiger. Bisher waren die Auftritte der bloggenden Angela peinlich. "Peppiger" aber macht Angst.

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Franziska Reich