Anti-Schulden-Wahlkampf in NRW Schluss mit den schwammigen Parolen

  • von Ulrike Sosalla
In NRW will die CDU zeigen, dass man mit einem Anti-Schulden-Wahlkampf erfolgreich sein kann. Doch mit so unkonkreten Aussagen werden die Konservativen aller Voraussicht nach scheitern.

Schulden rufen unangenehme Assoziationen herbei. Sie riechen nach Schlafstörungen, Pfandhaus und Zwangsvollstreckung. Und seit Beginn der Finanzkrise auch noch nach Chaos, Börsencrash und Wirtschaftskrise. Daraus muss doch was zu machen sein, müssen sich CDU und FDP in NRW gedacht haben, als die rot-grüne Minderheitsregierung platzte und sie unversehens in einen kurzen, aber heftigen Wahlkampf gerieten, und erklärten das Wortgefecht um die Düsseldorfer Staatskanzlei kurzerhand zum Anti-Schulden-Wahlkampf.

60 Tage und ein paar Hundert Wahlkampfreden später ist klar: Die Idee ist gescheitert. Sie musste scheitern. Denn gegen Schulden zu sein ist ungefähr so schwammig wie das Bekenntnis zum Weltfrieden. Und genauso folgenlos.

Einen Wähler zu fragen, ob er weniger Staatsschulden will, ist ungefähr so, als würde man einen Dicken fragen, ob er Körperfett verlieren will. Die Antwort ist in den meisten Fällen Ja. Interessant wird es bei der Nachfrage, ob er bereit ist, dafür auf Süßigkeiten und Bier zu verzichten und dreimal pro Woche Sport zu treiben. Oder wahlweise ein paar Tausender fürs Fettabsaugen hinzublättern.

Ich hätte es gern präziser

Man kann nur hoffen, dass die Botschaft auch in den Parteizentralen in Berlin angekommen ist. Denn nach dem NRW-Wahlkampf ist klar: Darüber, dass Staatsschulden böse sind, will ich im Bundestagswahlkampf nichts hören. Und übrigens auch nichts über Weltfrieden und Solidarität. Ich hätte es gern etwas präziser. Um es genau zu sagen: Ich will wissen, was die Möchtegern-Regierenden im Schilde führen, bevor ich mein Kreuz mache - und nicht erst hinterher.

Wer gegen Schulden ist, müsste eigentlich erklären, wie er das machen will. Eigentlich. Um diesen Teil aber drücken sich Wahlkämpfer gern. Ist ja auch menschlich. Ein paar zarte Ansätze leistet sich die FDP - allerdings zählen die nur halb, weil sie nicht in Gefahr sind, anschließend mitregieren zu müssen, und weil sie auch sonst nichts zu verlieren haben.

Norbert Röttgen und seine CDU dagegen haben sich nicht so recht getraut, die Wähler zur Schokoladen- und Bierabstinenz aufzurufen. Gerade in NRW, wo der Strukturwandel wütet und viele Kommunen am Rande der Pleite lavieren, sind Ausgabenkürzungen denkbar unpopulär. Und die andere Variante, Zahlen fürs Fettabsaugen, will Röttgen auch nicht: Höhere Steuern und Abgaben lehnen die Konservativen aus Prinzip ab. Um so skurriler mutet es an, dass Röttgen die Landtagswahl in NRW nun zur Abstimmung über die Sparpolitik der Bundeskanzlerin machen will. Denn diese Sparpolitik gibt es gar nicht. Alles, was es gibt, ist eine Spar-Forder-Politik.

Merkel fordert, was sie selbst nicht einhält

Angela Merkel ist eine Meisterin darin, von anderen etwas zu verlangen, was sie selbst nicht einlöst. Dass Deutschland die Drei-Prozent-Grenze beim Haushaltsdefizit locker einhält, ist mitnichten das Ergebnis irgendwelcher Sparbemühungen, sondern geht allein auf höhere Steuereinnahmen durch die gute Konjunktur zurück. Wobei der progressive deutsche Steuertarif, der von höheren Einkommen proportional mehr abzwackt, nebenbei bemerkt wie eine versteckte Steuererhöhung wirkt.

Und auch mit Strukturreformen, für die die Bundesregierung so wortreich wirbt, hat Merkels Regierung sich nicht hervorgetan. Ganz zu Anfang ihrer Regierungszeit setzte sie gemeinsam mit der SPD das Rentenalter hoch und erfand den Gesundheitsfonds. Das war vor sechs Jahren. Seitdem ist wenig passiert. Die Binsenweisheit, dass man Strukturreformen besser in guten Zeiten anpackt, um sich für schlechtere Zeiten zu rüsten, missachtet die Bundesregierung geflissentlich. Die Pflegereform etwa ist Stückwerk und muss ab 2014 fortgesetzt werden, und dass die Kosten für Ärzte, Arzneien und Krankenhäuser munter weiter steigen, fällt nur deswegen nicht auf, weil die Beitragseinnahmen ebenfalls wachsen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Regierung erfindet munter Ausgaben

Gleichzeitig erfindet die Bundesregierung munter neue Ausgaben, etwa das Betreuungsgeld, während die neuen Einnahmequellen nicht so recht wollen - siehe Finanztransaktionssteuer, Bankenabgabe und Brennelementesteuer. Diese Kanzlerin als Kronzeugin für eine gelungene Sparpolitik anzuführen ist etwa so sinnig, als wolle man einen Übergewichtigen, der eine Super-Size-Packung Appetitzügler zum Geburtstag bekommen hat, um Tipps zur gesunden Ernährung bitten.

Deshalb: Schluss mit dem Wahn! Verschont uns mit dem Gerede von den Schulden. Alle Wahlkämpfer werden weiter Geld ausgeben wollen. Und wir als Wähler wollen genau wissen, wofür - und wofür nicht.