Der Mindestlohn in der Post-Branche ist erst der Anfang. Die SPD möchte in mindestens zehn Branchen über eine Ausweitung des Entsendegesetzes Mindestlöhne durchsetzen. Als nächstes sind die Zeitarbeiter dran: Die Sozialdemokraten wollten die Zeit- und Leiharbeit als Instrument beibehalten, die Arbeitnehmer aber schützen, sagte SPD-Chef Kurt Beck in Berlin. Es gehe um den Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit".
CSU-Chef Erwin Huber kritisierte den Vorstoß der SPD, den Mindestlohn auf weitere Branchen auszuweiten. "Es kann nicht sein, dass in einer Art Salami-Taktik jetzt Branche für Branche drankommen soll», sagte Huber. Auch Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) ist besorgt: "Nach dem Post-Mindestlohn ist der nächste Dammbruch bei der Zeitarbeit zu befürchten", schrieb Glos in einem Brief an die Unionsfraktion. Sollte die Deregulierung der Zeitarbeit wieder rückgängig gemacht werden, "droht der Verlust vieler Arbeitsplätze".
stern.de stellt verschiedene Branchen und den Stand der Verhandlungen vor.
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Fleischerverarbeitung
Immer wieder gibt es Schlagzeilen über osteuropäische Billig-Areitskräfte, die am Tag zwölf Stunden arbeiten und 3,50 Euro pro Stunde verdienen. Der Deutsche Fleischerverband ist auch deshalb grundsätzlich für einen Mindestlohn. "Wer qualifiziert ist, muss auch entsprechend entlohnt werden", sagt Sprecher Gero Jentsch. Eine deutschlandweit einheitliche Lohnuntergrenze hält er jedoch für nicht praktikabel. Es muss zwischen Ost und West und auch regional differenziert werden.
"Wenn eine Wettbewerbsverzerrung verhindert werden soll, sind wir offen für Gespräche", so Jentsch. Zu einer möglichen Höhe wollte sich der Verband jedoch nicht äußern. Die Gewerkschaft NGG hat bereits um Verhandlungen gebeten - erste Treffen wird es jedoch erst 2008 geben.
Entsorgungswirtschaft
Der Bundesverband der Entsorgungswirtschaft macht sich für einen eigenen Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde stark. "Wer den ganzen Tag arbeitet, muss von seinem Lohn leben können", heißt es vom Verband. Zudem könnten Aufträge nicht mit Lohn-Dumping an Land gezogen werden. Die Gewerkschaft Verdi will jedoch mehr als zehn Euro pro Stunde durchsetzen. Die Gespräche sind deshalb weit davon entfernt, breits in einem Kompromiss zu münden.
Um einen bundeseinheitlichen gesetzlichen Mindestlohn über das Entsendegesetz zu erreichen, müssen die kommunalen Entsorger zudem zwingend beteiligt sein. Voraussetzung ist ein Tarifvertrag, der für mindestens die Hälfte der Arbeitnehmer einer Branche gilt. Bei den Kommunen arbeiten 90.000 der insgesamt 160.000 Mitarbeiter der deutschen Entsorgungsbranche.

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Wachdienste
Gerade den Wachdiensten wird oft Lohn-Dumping vorgeworfen. Der Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) zeigt sich offen für einen Mindestlohn. Was fehlt, ist ein bundesweit geltender Tarifvertrag. Erste Gespräche hat es mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aber schon gegeben.
Derzeit verdient ein Wachmann zwischen 4,40 Euro in Sachsen-Anhalt und 7,88 Euro die Stunde in Baden-Württemberg. Die Arbeitgeber sind bereit, diese Stundenlöhne – nach bestimmten Regionen differenziert – auf 5,20 bis acht Euro anzuheben. Ob dies Verdi reicht, ist ungewiss. "Die politische Forderung nach 7,50 Euro bundesweit können wir nicht zahlen", sagt BDWS-Hauptgeschäftsführer Harald Olschok.
Garten- und Landschaftsbau
Hier möchte die IG Bau gerne einen branchenweiten Mindestlohn durchsetzen. Die Arbeitgeber haben aber bisher jeglichen Gesprächswunsch abgelehnt. "Wir brauchen keinen Mindestlohn", heiß es vom Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau.
Die Arbeitgeber verweisen auf die aus ihrer Sicht schon jetzt hohen Stundenlöhne. Ein ungelernter Aushilfsgärtner verdient demnach 8,32 Euro pro Stunde. Die Gewerkschaft den Kampf aber noch nicht aufgegeben und will im neuen Jahr den Druck verstärken.
Einzelhandel
Die Gewerkschaft Verdi will im deutschen Einzelhandel einen Mindestlohn von 1500 Euro pro Monat durchsetzen, beißt aber bei den Arbeitgebern auf Granit. In laufenden Tarifgesprächen - bei denen es hauptsächlich um die Zuschläge für Arbeit am Abend und am Wochenende geht - spielt der Mindestlohn nur eine untergeordnete Rolle.
Nach Ansicht des Branchenverbands HDE sind gesetzliche Mindestlöhne nicht beschäftigungsfördernd. "Die populistische These, dass jeder von seinem Arbeitseinkommen leben können muss, führt in dieser Debatte nicht weiter", sagt HDE-Präsident Josef Sanktjohanser. Zu vielschichtig seien die Zusammenhänge zwischen der staatlichen Sozialpolitik und den Arbeitsmarktbedingungen für die Wirtschaft.
Zeitarbeit
In der Zeitarbeitsbranche haben die Arbeitgeberverbände BZW und IgZ mit den Gewerkschaften bereits einen Branchen-Tarifvertrag, der auch einen Mindestlohn enthält, geschlossen. Er sieht eine Lohnuntergrenze von 7,15 Euro vor, die im kommenden Jahr auf 7,38 angehoben werden soll. "Der Branchenmindestlohn ist aus unserer Sicht marktverträglich, wirtschaftlich vertretbar und mit Augenmaß abgeschlossen", sagt BZA-Präsident Volker Enkerts.
Ein Antrag auf eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung liegt beim Bundesarbeitsministerium, ist aber noch nicht entschieden. Grund sind weitere Tarifverträge, die der Christliche Gewerkschaftsbund geschlossen hat. Der DGB will nicht mit den anderen Gewerkschaften zusammenarbeiten.