Auschwitz-Gedenken "Es wird keinen Ausgleich geben können"

Bei der Gedenkfeier zum 60. Jahrestag der Befreiung Auschwitz' hat Bundeskanzler Gerhard Schröder dazu aufgerufen, Antisemitismus und Rassismus zu bekämpfen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zur Bekämpfung von Antisemitismus und Rechtsextremismus aufgerufen. Auf der Gedenkveranstaltung des Internationalen Auschwitz Komitees am Dienstag in Berlin sagte Schröder: "Nie wieder darf es den Antisemiten gelingen, jüdische Bürger, nicht nur unseres Landes, zu bedrängen, zu verletzen - und damit Schande über unsere Nation zu bringen." Die Auseinandersetzung mit Neonazis und Altnazis sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Einladung zur Gedenkveranstaltung nicht selbstverständlich

Zu den Gästen der Veranstaltung im Deutschen Theater gehörten neben Schröder auch der Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses, Israel Singer, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, Altbundespräsident Richard von Weizsäcker, die Minister Otto Schily, Peter Struck, Jürgen Trittin und Hans Eichel. Außerdem nahmen ehemalige Häftlinge des Konzentrationslagers und Jugendliche aus verschiedenen europäischen Ländern teil.

Schröder nannte die Einladung zu der Gedenkveranstaltung nicht selbstverständlich. "Uns Deutschen stünde es eigentlich gut an, angesichts des größten Menschheitsverbrechens zu schweigen", sagte er. Die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten bezeichnete er als moralische Verpflichtung: "Die Verlockung des Vergessens und Verdrängens ist sehr groß. Doch wir werden ihr nicht erliegen." Es sei auch die gemeinsame Pflicht aller Demokraten, der Hetze der Neonazis entgegenzutreten.

Auseinandersetzung mit Alt- und Neonazis politisch führen

"Dass es Antisemitismus noch immer gibt, das ist nicht zu leugnen", sagte Schröder. "Ihn zu bekämpfen, ist Aufgabe der ganzen Gesellschaft." Den rechtsextremen Kräften, ihren dumpfen Parolen und Schmierereien, gelte die besondere Aufmerksamkeit von Polizei und Verfassungsschutz, erklärte Schröder. "Aber die Auseinandersetzung mit Neonazis und Altnazis müsse wir alle miteinander politisch führen."

Damit spielte er indirekt auf den Eklat im sächsischen Landtag vergangenen Freitag an, als Abgeordnete der NPD bei einer Schweigeminute zum Gedenken an die NS-Opfer den Plenarsaal verließen. Später setzen sie in Redebeiträgen die Vernichtung der Juden im Dritten Reich und die alliierten Bombenangriffe auf deutsche Städte mit dem Begriff "Bombenholocaust" gleich.

Aus dem nationalsozialistischen Terror sei eine Gewissheit für alle gewachsen, die mit den Worten 'nie wieder' am besten umschrieben werde", sagte Schröder. Für die Feinde von Demokratie und Toleranz dürfe es daher keine Toleranz geben. Den Überlebenden des Holocaust sagte der Kanzler: "Für das Ausmaß des Grauens, der Qualen und des Leids, das in den Konzentrationslagern geschah, wird es niemals einen Ausgleich geben können. Den Nachfahren der Opfer und den Überlebenden eine gewisse Genugtuung zu verschaffen, ist möglich." Zu dieser Verantwortung stehe die Bundesrepublik mit ihrer Politik und ihrer Justiz.

Antisemitismus wird wieder sichtbarer

Deutschland habe heute die drittgrößte jüdische Gemeinde in Europa. Die jüdische Gemeinschaft sei und bleibe unersetzlicher Teil der deutschen Kultur und Gesellschaft, sagte Schröder.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Vor einer Zunahme des Antisemitismus in Deutschland warnt die katholische Deutsche Bischofskonferenz. "Auch in unserem Land scheint er zu erstarken, jedenfalls wird er wieder sichtbarer", heißt es in einer am Dienstag in Bonn veröffentlichten Erklärung. "So liegt weiterhin ein langer Weg der Läuterung und der Auseinandersetzung vor uns."

Die Deutschen hätten lange gebraucht, um sich der Verantwortung für das monströse Verbrechen zu stellen, das von Deutschen und im deutschen Namen begangen worden sei, hieß es weiter. Bis heute seien Mechanismen der Verdrängung wirksam.

In der polnischen Leidensgeschichte nehme Auschwitz einen herausragenden Platz ein, erklärten die Bischöfe. Im besetzten Polen seien das gesamte polnische Judentum und ein großer Teil der polnischen Intelligenz ermordet worden. "Gerade angesichts jüngst wieder aufgebrochener Kontroversen zwischen Deutschen und Polen über noch unbewältigte Kriegsfolgen muss daran nachdrücklich erinnert werden."

Bereits am Montag gedachte die UN-Generalversammlung des 60. Jahrestags der Befreiung des NS-Konzentrationslagers durch die sowjetische Armee. Der Holocaust-Überlebende Elie Wiesel sagte auf einer Sondersitzung in New York, hätte die Welt die Mahnung gehört, die das Leid seines Volkes darstelle, dann hätten "Darfur, Kambodscha, Bosnien und natürlich Ruanda" verhindert werden können.

AP · DPA · Reuters
DPA/Reuters/AP