Yvonne Strötter ist blond, hübsch und bei der Panzertruppe. Die 22-jährige Soldatin steht im Foyer des Bundespresseamts in Berlin. Hinter ihr eine Stellwand. 500 Fotos kleben darauf. Passbilder in Übergröße, Soldatengesichter in Reih und Glied, die meisten grau wie ihre Uniformen. Nur wenige lächeln. "Das wollten wir so, in den Fotos sollte sich das Militärische widerspiegeln", sagt Strötter. Das ist wirklich gelungen. Gegenüber steht eine zweite Wand. Auf Pappe gedruckte Briefe kleben dort, gemalte Kinderbilder und Fotos. Hier antwortet die Gesellschaft auf die Frage "Warum Soldaten?". Die Besucher der Ausstellungspremiere interessieren sich mehr für die Meinungsseite. "Tja, das ist wohl der spannendere Teil", gesteht Strötter. Und schaut auf ihre stummen Kameraden.
Mit der Ausstellung "Warum Soldaten?" will die Bundeswehr eine Kluft überbrücken. Denn Truppe und Volk haben sich entfremdet. Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler hat Deutschland einst ein "freundliches Desinteresse" an seiner Armee unterstellt. 500 Zeichnungen, Briefe und Interviews sollen jetzt rüberbringen, was das Land von seinen Soldaten hält - und will. Umgekehrt zeigen die Soldaten Gesicht, fragend und fordernd. Sagen können die "Staatsbürger in Uniform" leider nichts. Es wäre gut gewesen, ihre Meinungen zur hören - zur Debatte um die Wehrpflicht, zum Einsatz in Afghanistan und zu den drohenden Einsparungen beim Wehretat.
Namenlos, aber charakterstark
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg prescht heran. Seine Schritte federn, sein marineblaues Sakko wirf trotz Tempo kaum Falten. 150 Besucher warten auf seine Rede. Viele tragen Uniform. Als die Menge Guttenberg wahrnimmt, stoppt der Smalltalk in Sekunden. Plötzlich ist es gespenstisch ruhig auf der Armee-Vernissage. Kunst hin oder her, hier herrscht Gehorsam. Guttenberg spricht ein Grußwort, er redet zügig und laut: "Hier blicken uns Namenlose entgegen, aber nicht Charakterlose. Menschen, mit all dem was sie fühlen, was sie an Aufmerksamkeit erfahren wollen und mit all dem was sie für dieses Land leisten."
Aktuelle Debatten schneidet Guttenberg kurz an, etwa wenn er sich "grotesken Unterscheidungen zwischen Berufssoldaten und Wehrdienstleistenden" verweigert. Seit dem ersten Juli gilt in Deutschland die kürzeste Wehrpflicht aller Zeiten, nur noch sechs Monate müssen die Rekruten zur Grundausbildung. Das ist ein schwarz-gelber Kompromiss, die FDP wollte die Berufsarmee, CDU/CSU dagegen am neunmonatigen Wehrdienst festhalten. Guttenberg selbst hat sich schon mehrfach für eine Berufsarmee ausgesprochen, zuletzt hatte er einen freiwilligen, verlängerten Wehrdienst ins Spiel gebracht.
Angst vor der Unterschicht
Verteidigungsexperten sagen: Früher oder später wird die Berufsarmee kommen, allein aus Kostengründen. Kritiker befürchten, dass sich daraus eine "Unterschichtenarmee" entwickeln könnte. Der Adlige zu Guttenberg hat wenig Angst vorm Prekariat in Uniform. Ihn sorgen eher knappe Etats in klammen Zeiten. Gute Ausrüstung ist teuer, aber ein Muss für Einsätze wie in Afghanistan. Vor den Soldaten im Bundespresseamt sagt er deshalb Sätze, die versteckte Forderungen sind: "Wir müssen die Bundeswehr gestalten - und nicht schleichend zu Grabe tragen." Heftiges Nicken im Publikum.
Yvonne Strötter darf zu der Diskussion um die Wehrpflicht nichts sagen. Auch darüber nicht, wie sie den schneidigen Herrn Minister findet. Warum sie zur Bundeswehr gegangen ist hingegen schon: "Ich wollte einen sinnvollen Beitrag zum Frieden in der Welt leisten. Deshalb wollte ich Soldat werden." Dazu studiert sie Politik an der Bundeswehr-Uni in Hamburg, die nach Helmut Schmidt benannt ist. Dort entstand auch die Idee zu der Ausstellung. Gemeinsam mit zehn Mitstudenten schickte Strötter 1500 Briefe - an Politiker, Unternehmer, Verbandsmenschen und an "normale Bürger aus dem Telefonbuch". Warum? "Afghanistan ist soweit weg. Damit ist für die Leute auch die Bundeswehr so weit weg. Das wollten wir ändern."
McDonalds will nichts sagen
Dirk Niebel von der FDP, Andrea Nahles von der SPD, Theo Zwanziger vom DFB. Sie alle hängen jetzt an der grauen Stellwand und sagen was zur Bundeswehr. Was Positives, natürlich. Edmund Stoiber hatte keine Zeit, McDonalds wolle nichts sagen. David McAllister, CDU, hat ein Foto geschickt. Darauf steht der neue niedersächsische Ministerpräsident in einem Soldatenrudel, "ich bin für die Bundeswehr", hat er mit Füller darüber geschrieben. Guttenberg geht rasch an der Wand vorbei, hier und da hält er kurz inne, dann muss er weg. Die 500 Soldatenfotos schaut er nicht an.
Spannend sind jene Statements, die keiner PR-Abteilung zum Opfer gefallen sind. "Soldaten bedeuten Krieg - das will niemand. Das ist meine Meinung, unpolitisch, gefühlsmäßig" steht da, in krakeliger Klaue, unterschrieben mit einem Kürzel. "Das Vorhandensein von Waffen führt dazu, diese auch zu benutzen", schreibt eine alte Dame, deren Vater aus Rache für Wehrmachtsverbrechen ermordet wurde. Und ein türkisches Mädchen namens Nimet hat auf die Hilfslinien ihres Schulhefts gekritzelt: "Soldaten sind gut, weil sie Menschen helfen."

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Die Ausstellung "Warum Soldaten?" wird jetzt durchs Land reisen. Sie soll den Graben zwischen Gesellschaft und Bundeswehr schließen. Ein echter Dialog kann leider nicht entstehen, denn die Soldaten bleiben stumm. Sie sind nur 500 Zuschauer, die wehmütig auf jene blicken, die über sie reden. Dabei könnten sie für Verständnis werben, wie Yvonne Strötter. Die junge Politikstudentin - die Leutnant ist und Panzer fährt. Dass es so jemanden gibt, weiß auf der anderen Seite bestimmt nicht jeder.