Es war ein Favoritensterben. Bayerns neuer Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) hat bei seiner Kabinettsbildung verdiente Kollegen übergangen, aber gleich mehrere unerwartete Kandidaten aus dem Halbschatten der 124-köpfigen CSU- Landtagsfraktion ins Rampenlicht befördert. CSU-Generalsekretär Markus Söder wird mit dem undankbaren Europaministerium abgespeist - eine Art Strafmission. Und am fernen Horizont zeichnet sich bereits die Ära nach Beckstein ab: Der bisherige Landtagsfraktionschef Joachim Herrmann meldet mit dem Wechsel ins Innenministerium für jedermann sichtbar Anspruch auf künftige allerhöchste Weihen an. "Das Kabinett der Überraschungen", sagt ein Abgeordneter.
Joachim Herrmann wird Innenminister
Ob es sich um gute oder böse Überraschungen handelt, darüber herrscht jedoch keine Einigkeit. Einige CSU-Politiker hatten Herrmann mit Blick auf das Rennen um den nächsten Ministerpräsidenten dringend zum Wechsel ins Kabinett geraten - aber andere ebenso dringend davor gewarnt. Herrmann wäre "vom Affen geritten", würde er nicht ins Kabinett wechseln, sagte ein Abgeordneter schon vor der Kabinettsbildung. Herrmanns Wechsel sei "ein Abstieg ins Kabinett", meinte ein anderer, nachdem die Nachricht bekanntwurde. Denn der Fraktionsvorsitz sei die bessere Ausgangsbasis. Bundeskanzlerin Angela Merkel sei zunächst Fraktionsvorsitzende gewesen, ebenso der baden-württembergische Ministerpräsident Günter Oettinger (beide CDU).
Komplett übergangen hat Beckstein die mittlere Führungsebene der Landtagsfraktion - den Kreis der Ausschussvorsitzenden. Obwohl mehrere als heiße Kandidaten galten, hat kein einziger den Sprung in die Staatsregierung geschafft. Das sorgt sowohl bei den Betroffenen wie bei manchen ihrer solidarischen Amtskollegen für böses Blut - und könnte sowohl Beckstein wie dem künftigen Fraktionschef Georg Schmid Probleme bereiten. Der Machtkampf um Becksteins Nachfolge werde gleich nach der Vereidigung des Kabinetts beginnen, prophezeite ein Verärgerter.
"Starke Handschrift"
Landtagspräsident Alois Glück spricht dagegen von einer "starken Handschrift" Becksteins. Kein Wunder: Beckstein hat sich mehrfach über Erwartungen hinweggesetzt. So muss sich der bisherige CSU- Generalsekretär Söder um Europa kümmern, nicht um Umwelt- oder Wirtschaft. Das Europaressort ist in der internen Hackordnung das unwichtigste und undankbarste: viel Arbeit, wenig Ehr und noch weniger Scheinwerfer. "Eine Demütigung", sagt ein Fraktionskollege.
Söder ist bei vielen Mitgliedern der 124-köpfigen Fraktion unbeliebt - vor allem bei denjenigen, die jahrelang stille Kärrnerarbeit verrichteten, während Söder durch die Talkshows tourte. Auch seine Gegner erkennen Söders analytische Qualitäten und sein Gespür für Themen an. Doch Söder haftet noch immer der Ruf eines Luftikus an - und der lastet auf ihm wie Blei. Die Berufung Söders zum Europaminister sehen mehrere CSU-Abgeordnete als Bewährungsaufgabe an.

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Söder muss sich beweisen
Auch der künftige Fraktionsvorsitzende Georg Schmid kommt unverhofft zu dieser Ehre. Eigentlich war der 54 Jahre alte Schwabe als Innenminister gehandelt worden. Da er in den vergangenen Jahren als Innenstaatssekretär seinem Vorgesetzten Beckstein loyal zuarbeitete, vermuten misstrauische CSU-Abgeordnete, Beckstein wolle ihnen einen schwachen und gefügigen Gefolgsmann vor die Nase setzen. Andererseits ist Schmid ein gutgelaunter Kommunikator, der mit den meisten Abgeordneten auf gutem Fuße steht. Ob die für nächste Woche geplante Wahl in der Fraktion glatt über die Bühne geht, scheint aber derzeit offen.