Leicht verblüfft dürften vergangene Woche Leser des "Handelblatts" gewesen. sein. Ein Ursozi, über 50 Jahre schon in der SPD, zog dort eine politische Bilanz der Bundeskanzlerin zur Sommerpause: "Merkel ist deutlich besser als ihr Ruf in den Medien" lautete die Überschrift. Und im Text setzte es dicke Komplimente. Das Ausland bewundere Merkel für ein zweites deutsches Wirtschaftswunder und für die große Stabilität des Arbeitsmarkts. Geschrieben hat die Hymne Klaus von Dohnanyi, einst SPD-Bundesbildungsminister, Staatsminister im Auswärtigen Amt und Hamburger Bürgermeister.
Ein SPD-Abtrünniger? Nein, aber auch in dritter Ehe mit der Schriftstellerin Ulla Hahn liiert. Das Ehepaar Hahn-Dohnanyi und das Ehepaar Merkel-Sauer sind eng befreundet, besuchen gerne gemeinsam Wagner-Opern und treffen sich regelmäßig zu gemeinsamen Essen. Ulla Hahn, Autorin des Bestsellers "Das verborgene Wort" bevorzugt politisch die offene Aussprache. Und die geht so: Ihr Herz schlage für Merkel, sagt sie gerne. Jenes ihres Ehemanns sei zwar ein wenig altersmüde geworden, aber noch immer klar rot. Sagen wir besser: Ziemlich schwarz-rot. Mit Ulla Hahn lebt und liebt er die Große Koalition. *
Eine sehr spezielle Geschichte vom verborgenen Wort erlebten die Berliner Journalisten beim letzten Auftritt der Kanzlerin vor der Sommerpause. Leicht macht es diese Kanzlerin den Schreibern bekanntlich ohnehin nicht. Sie liebt Ironie und Sarkasmus und hinterher fragen sich viele, wie denn nun ihre Worte gemeint waren. So sagte sie bei ihrem letzten Presseauftritt vor dem Sommerurlaub über ihren Kanzleramtsminister: "Ronald Pofalla ist nun wirklich das Versöhnungswerk auf Rädern." Alles lachte, doch einige Journalisten transportierten den Satz mit den Worten "Ronald Pofalla ist nun wirklich nicht das Versöhnungswerk auf Rädern." Seither wird in der Polit-Szene Berlins erst recht gelästert: Zwar habe Angela Merkel bei ihrer Bewertung von Pofallas Arbeit das Wörtchen "nicht" nicht benutzt, wie auch das Protokoll der Pressekonferenz eindeutig belegt. Aber wer es bei der Wiedergabe eingefügt habe, treffe sehr viel genauer, was sie über Pofalla denke.
Ihr Satz kann in der Tat nur triefende Ironie gewesen sein. Denn Pofalla führt sich als Kanzleramtsminister am liebsten als lautstarker Nebenkanzler gegenüber den Bundesministern auf. Nur steht seine Arroganz im umgekehrten Verhältnis zu seinem Talent bei der Organisation der Regierungsarbeit. Sehnsucht nach Amtsvorgänger Thomas de Maizière macht sich weithin bei CDU, CSU (bei der ganz besonders) und FDP breit. Der habe die Große Koalition einst völlig reibungsfrei organisiert. Die Rumpel-Politik von Schwarz-Gelb sei vor allem Pofalla zu danken.
CSU-Geschäftsführer Stefan Müller rügt, der CDU-Mann im Kanzleramt habe offenbar Mühe gehabt, die Kontrolle etwa über die Kundus-Affäre zu behalten. Und arbeite vor allem daran, lästern andere in der CSU, den CSU-Senkrechtstarter Karl-Theodor zu Guttenberg in der Öffentlichkeit madig zu machen. Der CSU-Unmut wiegt besonders schwer. Hat sich Pofalla doch Karina Döhrn, 30, als persönliche Sprecherin ins Kanzleramt geholt. Mit ihr, dem "schönsten Gesicht im Kanzleramt" sprechen die Journalisten gerne. Die Politikwissenschaftlerin arbeitete früher als Model und dann in der Pressestelle der CSU-Landesgruppe. Eine berufliche Vorgeschichte, mit der es eigentlich gelingen sollte, Pofalla zum wirkungsvollen Strippenzieher im Hintergrund zu stilisieren. *
Leicht war es auch an anderer Stelle nicht mit Merkels Sprache auf dieser Pressekonferenz. Was ihr in Erinnerung bleiben werde von ihrem scheidenden Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, wurde sie gefragt. Verlegen nach Worten suchend sagte die Kanzlerin zum neben ihr sitzenden Sprecher: "Ich kann mich inzwischen sogar fast freuen, dass er sich freut, eine andere Aufgabe zu übernehmen. Es hat lange gedauert. Ich bin aber sehr froh, dass ich es vor seinem Ausscheiden noch geschafft habe " Ein sperriger Satz für den Mann, dem Merkel einräumt, er habe ihr "oft den Rücken freigehalten."
Aber so ist sie: Mit Dingen, die ihr wirklich ans Gemüt gehen, tut sie sich schwer. Und wenn ein Vorgang für sie mit Herzblut verbunden ist, wie Wilhelms Abschied, flüchtet sie sich lieber in Sarkasmus als die Gefühle erkennen zu lassen. Wilhelm hat es lässig ertragen. Er kennt seine Kanzlerin schließlich. Und weiß, wie schwer sie sich mit Liebeserklärungen und dem verborgenen Wort tut.