Endlich, endlich ist Alt-Außenminister Joschka Fischer zu Potte gekommen mit seinen Memoiren. Mit mehreren Wochen Verspätung geht er demnächst auf Leser-Werbereise durch die Republik. Vertraut man dem Urteil jener, die schon die Fahnenabzüge des Werks lesen durften, so hält sich er Enthüllungswert des Buchs in engen Grenzen. Nichts neues, seufzen die Lektoren. Sogar die Erinnerungen seines rotgrünen Partners Gerhard Schröder sollen sich spannender und unterhaltsamer lesen.
Daher erscheint es ratsam, zu den Fischer-Memoiren ein Fischer-Buch zu erwerben, das Anfang September im Econ-Verlag mit dem saftigen Titel erscheint "Meine Jahre mit Joschka. Nachrichten aus fetten und mageren Zeiten." Geschrieben hat es Jürgen Schreiber, mehrfach für investigativen Journalismus ausgezeichneter Autor, der Fischer über 30 Jahre hinweg begleitet und beobachtet hat. Schreiber stellt die Fragen, denen Fischer ausweicht: Ob der Obergrüne es je zu seiner dominanten Position bei den Grünen geschafft hätte, wenn Petra Kelly länger gelebt hätte. Und auch an einem ganz sensiblen Punkt kommt Schreiber schnörkellos in einem Interview mit der FAZ zur Sache: Unter Fischer seien die Grünen zur Kriegspartei geworden. "Dafür geht Fischer in die Geschichte ein. Für mich zweifelhafter Ruhm."
Hans Peter Schütz
Worüber redet das politische Berlin, wenn die Kameras ausgeschaltet sind? stern-Autor Hans Peter Schütz hört hin und notiert wöchentlich den neuesten Tratsch aus der Hauptstadt - exklusiv auf stern.de lesen Sie seine Kolumne "Berlin vertraulich!"
Irgendwie schafft es Kurt Beck immer wieder, dass nach seinem Gewicht in der SPD gefragt werden muss. Hört die Partei überhaupt auf den SPD-Vorsitzenden? Kaum hat er auf seiner Sommerreise per Interview mal wieder nach einem Verbot der NPD gerufen, erklärt der SPD-Fraktionsvorsitzende Franz Müntefering mit kühler Stimme: "Ich persönlich würde mich freuen, wenn wir sie verbieten könnten."
Leider habe das schon einmal nicht hingehauen. Eine klare Absage. Bekräftigt Beck seine Ansage an die SPD, wonach Koalitionen in den Ländern wie im Bund nicht in Frage kommen, gibt es Widerspruch. Seine Noch-Stellvertreterin (bis zum Herbst) Ute Voigt, befindet kühl, darüber müsse doch wohl von den SPD-Landesverbänden selbstständig entschieden werden. Und auch Müntefering ist wieder auf Gegenkurs zu Beck: Entscheiden würden die Landesparteien, sagt er. Und dann besucht Beck auf seiner Sommerreise auch noch einen Autositzhersteller und lässt sich ausführlich das Modell "Taumel 2000" erklären.
Frage an ihn: Musste es ausgerechnet der "Taumel 2000" sein? Provoziert das nicht geradezu Fragen nach der Lage der SPD und ihres Vorsitzenden? Die Antwort muss man Beck hoch anrechnen: "Ja, das verstehe ich sehr gut." Und sagt zu den Journalisten: "Wenn ich so bin, wie ich bin, dann schreibt ihr, ich bin dünnhäutig." Schreibt man dann überhaupt über ihn? Autoren wie Jürgen Schreiber gewiss nicht, denn für den ist ein Fischer selbst als Pensionär aufregender "als ein SPD-Beck im vollen Erwerbsleben.
Nur zu gerne lässt sich Laurenz Meyer, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion derzeit am Kinderwagen fotografieren. Ist der Bundestagsabgeordnete doch Chef von Annette Fröhlich, die sein Büro in Berlin leitet. Frau Fröhlich ist die Mutter des Seehofer-Babys Anna Felicia, das sie jetzt allein erziehend mit zur Arbeit ins Büro bringt. Nichts dagegen zu sagen, dass Meyer, selbst Vater von vier Töchtern, sich so familienfreundlich gibt. Das war nicht immer so. Vor gut einem Jahrzehnt kandidierte er fürs Amt des Oberbürgermeisters von Hamm. Im Wahlkampf posierte er dabei auf Plakaten mit Frau und Kindern ganz familienlieb. Nach der Wahlniederlage ließ er sich scheiden.
Berlins Regierender macht´s. Allerdings heimlich, denn Klaus Wowereit ist schließlich Genosse. FDP-Chef Guido Westerwelle macht´s neuerdings. Allerdings öffentlich, weil er alles auf öffentliche Wirkung bedenkt. Und seit einiger machen es auch Horst Köhler und seine Frau Eva Luise: Golf spielen. Der Schwung des Bundespräsidenten ist schon ganz passabel. Das kann sehr wohl politische Folgen haben. Erstens ist seine Frau gegen eine zweite Amtszeit des Präsidenten, was sie intern auch schon mal klar sagt. Zweitens ist Golf ein zeitaufwendiges Hobby. So könnte sich auch aus diesem Grund die Frage aller politischen Fragen stellen: Zweite Amtszeit oder mehr Zeit fürs gemeinsame Hobby?
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Zuweilen nimmt der politische Kleinkrieg im wahren Wortsinn kindliche Formen an. Im Berliner Parlament kommen zum Beispiel der FDP-Fraktionschef Martin Lindner und der Regierende Bürgermeister Wowereit überhaupt nicht miteinander klar. Als Lindner dieser Tag Vater einer Tochter geworden war, ließ "Wowi" die SPD-Fraktion ihm eine Packung Windeln schicken. Der Liberale war enttäuscht. "Das reicht ja nur für eine Woche", maulte er. Schon gar nicht für den einjährigen Erziehungsurlaub, den Wowereit ihm angeraten habe. Also sei er künftig weiterhin im Berliner Parlament präsent und "werde die SPD pudern, wickeln und versohlen."