Berlin vertraulich! Von Untertauchern und Haubentauchern

  • von Hans Peter Schütz
Der Ex-Grüne Oswald Metzger schielt nach einem Wahlkreis, obwohl er eigentlich untertauchen wollte. Und während Ex-Bundesinnenminister Otto Schily mit Entzugserscheinungen kämpft, muss sich Angela Merkel als innenpolitischer Haubentaucher bezeichnen lassen.

Wohin marschiert Oswald Metzger? Der Ex-Grüne schweigt sich beharrlich aus. Will erst einmal "aus der Öffentlichkeit verschwinden und untertauchen," wie er sagt. Das dürfte ihm freilich so schwer fallen wie dem Hund das Anlegen eines Wurstvorrats. Denn bei einem Besuch in Berlin gab er stern.de einen indiskreten Fingerzeig. Er habe dieser Tage, so berichtete Metzger stolz, vor der CDU im südbadischen Lörrach geredet. Dort habe man ihm anschließend sofort den Wahlkreis angeboten. Als der CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder das hörte, lachte er und kommentierte sarkastisch: "Viel Glück!

Den Wahlkreis Lörrach konnte die CDU-Politikerin Dorothea Störr-Ritter, Bundesvorsitzende der Selbstständigen, schon zweimal nicht gewinnen." Stets hatte die SPD-Politikerin Caspers-Merk die Nase vorn. Mit Metzger könnte es endlich klappen für die CDU, räumt ein Mitglied im CDU-Landesvorstand ein: "Nirgendwo leben so viele Porsche fahrende Grüne wie in diesem Wahlkreis." Die meisten arbeiteten im schweizerischen Basel in der Chemieindustrie und lebten in Deutschland. "So bleibt ihnen mehr Netto vom Brutto und das preiswerte Leben in einer heilen Landschaft, für deren Erhalt sie leidenschaftlich kämpfen. Das sind klassische Schwarz-Grüne". Wäre doch was für den Ökoliberalen Metzger. Und der Wahlkreis wird frei, weil Störr-Ritter demnächst Landrätin vom Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald wird.

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Hans Peter Schütz

Worüber redet das politische Berlin, wenn die Kameras ausgeschaltet sind? stern-Autor Hans Peter Schütz hört hin und notiert wöchentlich den neuesten Tratsch aus der Hauptstadt - exklusiv auf stern.de lesen Sie seine Kolumne "Berlin vertraulich!"

Schily bleibt stur

Mal wieder wird, wie schon so oft, mit Kopfschütteln und der Aufforderung endlich sein Mandat niederzulegen, das Wirken von Ex-Bundesinnenminister Otto Schily in der SPD-Bundestagsfraktion kommentiert. Niemand versteht, weshalb sich der Genosse beharrlich weigert, seine Nebeneinkünfte wie andere Bundestagsabgeordnete offen zu legen. Als Anwalt des Schmiergeld-Konzerns Siemens soll er von März bis September 140.000 Euro Honorar bekommen haben. Diesen Nebenverdienst hätte Schily bei Bundestagspräsident Norbert Lammert melden müssen, wie alle anderen Parlamentarier. Doch Schily weigert sich, obwohl ihm ein Strafgeld von 42.054 Euro droht. Weshalb ist der Mann, der stets behauptet, Recht und Gesetz gingen ihm über alles, nur so stur? Einer seiner früheren engsten Mitarbeiter, der unter der Psyche des "roten Sheriff" arg gelitten hat, mutmaßt: "Der will mit seinem Fall unbedingt vors Bundesverfassungsgericht. Dann hätte er endlich mal wieder das öffentliche Interesse und den großen Auftritt, den er seit dem Abschied aus dem Amt so sehr vermisst. Da wäre er dann, so der Spott weiter, wie einst zur Zeit der RAF-Prozesse, endlich mal wieder Staranwalt. Schily hat allerdings noch eine weitere Entzugserscheinung: Er musste dieses Jahr zum ersten Mal ohne vier Bewacher und ohne Panzer-Dienstwegen in seine Latifundie in der Toskana reisen. Er kämpfte zwar wie wild um die Bedeutung signalisierende Schutztruppe, aber die Spezialisten des Bundeskriminalamts konnten keine akute Gefährdungslage mehr für den Ex-Minister erkennen.

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Stoiber als eiserner Hausmann

Edmund Stoiber bemüht sich, anders als Schily, ja sehr, mit seinem Bedeutungsverlust fertig zu werden. Meist gelingt es ihm ganz ordentlich. Bei einem Empfang zu seinen Ehren in der Berliner Landesvertretung Bayerns gab es allerdings einen kleinen Rückfall zu besichtigen. Ehemann Stoiber schickte seine Ehefrau Katrin zum Essenfassen ans gut bestückte Büffet. Brav schleppte sie ihm ein paar Nürnberger Rostbratwürstchen herbei. Ein Ex-Ministerpräsident kann schließlich nicht selbst anstehen. Was uns das lehrt? Auch der Pensionär Stoiber bleibt der eiserne Hausmann, dem die Ehefrau aufzutragen hat.

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Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Politiker sind auch nur Menschen, auch wenn ihnen immer wieder vorgeworfen wird, irgendwie abgehoben zu sein. Als der Berlin-Single Peer Steinbrück, dessen Familie im Rheinland lebt, zur Abfahrt zu einem Termin in aller Frühe nicht beim Dienstwagen erschien, schickte ihm sein Pressesprecher Thorsten Albig eine SMS. Kurz darauf eilte der Bundesfinanzminister außer Atem herbei. Die ministerielle Ausrede des Nassrasierers Steinbrück: "Mir ist der Schaum ausgegangen." Was wiederum Albig seither das Loblied auf seinen Dienstherrn erlaubt: "Er ist eben kein besonders guter Schaumschläger."

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Nahles als Haubentaucher

Andrea Nahles hat unlängst Kanzlerin Angela Merkel als einen "innenpolitischen Haubentaucher" bezeichnet. Sie fische, so die stellvertretende SPD-Vorsitzende, häufig "unterhalb der Wasseroberfläche nach Dingen, mit denen sie sich schmücken kann." Das war natürlich abfällig gemeint, zumal zumindest in Bayern "Du Haubentaucher!" als dezente Form der Beleidigung gilt. Der Vorgang ließ den Naturschutzbund Deutschland (Nabu) nicht ruhen. Er lud Nahles "zu einer exklusiven Exkursion in die Gefilde der Haubentaucher ein." Der Vogel, 2001 zum Vogel des Jahres gekürt, ist in der Tat ein begabter Unterwasser-Jäger. Wie die Nahles, wissen sie in der SPD, vor allem Franz Müntefering musste es schmerzlich erfahren.

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