Der geschäftsführende Linke-Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow, hat eine "umfassende Aufarbeitung aller staatlichen Maßnahmen" während der Corona-Pandemie eingefordert. "Dass die Ampelkoalition das nicht hinbekommt, halte ich für enttäuschend", sagte er dem stern. "Ich verstehe dieses Rumgeeiere nicht."
Ähnlich äußerte sich der frühere CDU-Vorsitzende Armin Laschet, der während der Pandemie als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen in Regierungsverantwortung stand. "Wenn die Aufarbeitung jetzt scheitert, ist eine Chance vertan", warnte der Bundestagsabgeordnete im stern. "Wenn wir die aggressive Spaltung der Gesellschaft überwinden wollen, die aus meiner Sicht erst mit Corona richtig begonnen hat, müssen wir diese Zeit aufarbeiten." Ein Teil der Bevölkerung sei damals "ausgegrenzt" worden, sagte Laschet. "Wir dürfen diese Menschen nicht den Populisten überlassen."
Bodo Ramelow: "Riss durch Familien und Freundeskreise"
Ramelow sprach von einem "Riss durch Familien und Freundeskreise". AfD und BSW könnten mit "Verschwörungserzählungen punkten", weil deren Propaganda nicht inhaltlich begegnet werde, sagte er. "Die Daten zur Übersterblichkeit, die internationalen Erfahrungen von Schweden bis Australien und die internen Akten des RKI: Das alles muss ausgewertet und analysiert werden."
Laut Ramelow müsse im Gegenzug transparent mit falschen Entscheidungen der Politik umgegangen werden. "Ich persönlich habe überhaupt kein Problem damit, Fehler zuzugeben", sagte er. Als Beispiel nannte er die Schulschließungen während des zweiten Lockdowns. "Darüber hinaus war es falsch, dass die Ministerpräsidentenkonferenz am Ende zum mächtigsten Gremium während der Pandemie wurde", erklärte Ramelow. Ein Bundeskrisenstab der Bundesregierung wäre hier künftig die bessere Lösung.
Die Ampel-Koalition ist sich bei dem Thema seit Monaten uneins. Während die FDP eine Enquete-Kommission des Bundestages verlangt, besteht die SPD auf einen Bürgerrat aus zufällig ausgewählten Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Nach stern-Informationen wird es aus Sicht der meisten Beteiligten in dieser Wahlperiode keine Entscheidung mehr geben.
Laschet lehnt Bürgerrat als "zahnlos" ab
Ramelow präferiert eine Enquete-Kommission mit breiter wissenschaftlicher Begleitung. "Untersuchungsausschüsse können diese Arbeit kaum leisten, weil ihr Fokus beschränkt und oft parteipolitisch geleitet ist", sagte er. In Thüringen haben BSW und CDU ein solches Gremium im Landtag beantragt.
Laschet wiederum erklärte, dass er sich neben einer Enquete-Kommission auch einen Untersuchungsausschuss vorstellen könne. "Von einem zahnlosen Bürgerrat halte ich gar nichts", fügte er hinzu. Die in einem knappen Jahr anstehende Bundestagswahl ist aus Sicht des einstigen CDU-Vorsitzenden kein Problem. Beim Einsetzen einer Kommission müssten sich alle Beteiligten politisch dazu verpflichten, die Arbeit nach der Bundestagswahl fortzusetzen, sagte er. "Dafür gibt es eine eingeübte Staatspraxis."