Er will bei den Grünen austreten und eine Auszeit nehmen. An diesem Dienstag hat sich Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer erst einmal krankgemeldet. Vorausgegangen war ein erneuter Eklat des 50-Jährigen. Auf einer Konferenz in Frankfurt am Main verwendete er das N-Wort, auf "Nazis raus"-Rufe reagierte er mit: "Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für euch ein Nazi." Er hätte so "niemals" reden dürfen, erklärte Palmer später – und zog Konsequenzen für sich. Sein Rückzug aus der Öffentlichkeit ist nur folgerichtig, heißt es in den Kommentarspalten vieler deutscher Medien. Die Presseschau:
Pressestimmen zu Boris Palmer
Südwestrundfunk: "Man muss wie immer davon ausgehen: Palmer war klar, was er damit auslöst. Und es ist absolut nachvollziehbar, dass ihm deshalb jetzt sogar sein grüner Parteikollege Rezzo Schlauch öffentlich die Freundschaft kündigt. Dennoch – und Achtung: Jetzt wird es scheinbar paradox. Dennoch finde ich, dass nicht nur Palmer eskaliert ist. Die Debatte hat auch auf der anderen Seite eine Gereiztheit und Tonlage erreicht, die nur noch schwer nachzuvollziehen ist."
Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Das Stadtoberhaupt aus dem Südwesten der Republik agiert regelmäßig mit explosivem Material – und wundert sich anschließend, wenn es hoch geht. Offenkundig gehorcht Boris Palmer dabei einem tieferen inneren Zwang, Schließlich war sein Vater ebenfalls beseelt von dem Gedanken, es allen anderen irgendwie zeigen zu müssen. Mit Politik hat das nur oberflächlich zu tun. Eher mit der Tragik eines Sohnes, der auch im reifen Alter immer noch nicht weiß, was er tut."
"Die Zeit": "Längst ist der Noch-Grüne zum Selbstdarsteller geworden; jemand, den TV-Redaktionen – oder Universitäten – anrufen, wenn sie einen Grünen brauchen, um Grüne zu ärgern – oder um Meinungen zu vertreten, die sonst die AfD vertreten würde, die man aber nicht einladen möchte. Die Palmer-Show ist allerdings von begrenztem Unterhaltungswert. Es ist Zeit, sie abzusetzen und ihn in Tübingen zu lassen."
"Tagesspiegel": "Boris Palmer ist wieder unterwegs, sucht Windmühlen, kämpft gegen ihre Flügel. Und hält alle, die ihm das sagen, für Narren. Kommt dann mit der Nazikeule. Er verhält sich wie ein Tor. Er muss es besser wissen. Palmer ist ein führender Politiker, kein tragischer Held. Nur einer mit traurigem Gehalt. Den Holocaust relativieren, rassistische Begriffe verwenden, dafür gibt es ein klares Wort: Nein. Er verwirkt sein Recht, im Amt zu bleiben. So simpel. Boris Palmer sollte sich schämen."
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"Süddeutsche Zeitung": "Ist Boris Palmer ein Rassist oder einfach nicht die hellste Kerze auf der Torte? Ein Politiker, der als OB progressiv handelt, aber regelmäßig reaktionär spricht: Diese Kombination gibt es in Deutschland nur bei ihm. (...) Hat es der Tübinger Oberbürgermeister nun auch kapiert, nach sagenhaft langer Zeit? Am Montagabend kündigte er erst eine Auszeit, dann seinen Parteiaustritt an. Immerhin, beides ist ehrenwert."

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"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Palmer entzieht mit seinem Verhalten jedoch einer ernsthaften Debatte den Boden. Trotz Wiederwahl ist der erfolgreiche Kommunalpolitiker nun so isoliert wie noch nie. Sein Austritt aus der Partei der Grünen kommt einem neuen Ausschlussverfahren zuvor. Auch in Tübingen will kaum noch jemand mit ihm zusammenarbeiten. Dazu haben viele Medien beigetragen, für die Rabatz das entscheidende Kriterium ist. Doch die Verantwortung für seinen Absturz trägt Palmer selbst."