Bundespräsident Gauck hat Mitleid mit den Wulffs

Er musste sich daran gewöhnen, unter Beobachtung zu stehen, bereut hat er den Schritt jedoch nie: Bundespräsident Joachim Gauck spricht über sein erstes Jahr im Amt - und sein Mitleid mit den Wulffs.

Anlässlich des ersten Jahrestages seiner Amtszeit und kurz vor dem Abflug nach Äthiopien hat Bundespräsident Joachim Gauck der "Bild"-Zeitung ein Interview gegeben. Er spricht über seine Anfänge im Amt, umstrittene Manager-Gehälter - und seinen gescheiterten und tief gefallenen Vorgänger Christian Wulff.

"Nicht durchgängig wohlgefühlt" habe sich der 73-Jährige, als er vor einem Jahr sein Amt antrat. Er musste sich daran gewöhnen, rund um die Uhr unter Beobachtung zu stehen. "Aber bereut habe ich den Schritt nie", so Gauck gegenüber der Zeitung. Auf die umstrittenen Manager-Gehälter angesprochen erklärt Gauck: "Ja, es gibt unangemessene Gehälter. Aber wenn wir uns allein daran festbeißen, vergeuden wir viel Energie, die anderswo sinnvoller eingesetzt werden könnte - zum Beispiel bei der Diskussion darüber, wie man auch hierzulande gerechtere Bildungs- und damit mehr Aufstiegschancen schafft."

Gerhard Schröders "Agenda 2010" lobte Gauck ausdrücklich: "Ich denke schon, dass die Balance von Fördern und Fordern in der Sozialpolitik sehr wichtig ist. Ich meine, dass Gerhard Schröder sich mit diesem Ansatz der Agenda 2010 bleibende Verdienste erworben hat." Den Menschen, die sich bereits in jungen Jahren bereitwillig auf eine Zukunft mit Hartz VI einstellen setzt er entgegen: "Eine Unterforderung von Menschen – und sei es eine liebevolle - ist nicht besonders menschlich. Anders ausgedrückt: Wir tun uns nichts Gutes, wenn wir zu wenig von uns verlangen. Wir werden nicht als Opfer geboren, wir werden zum Opfer gemacht."

Bewegt vom Schicksal der Wulffs

Am Ende des ersten Teil des Interviews (den zweiten Teil will die "Bild"-Zeitung am Dienstag abdrucken), wird Gauck von den Journalisten auf seinen Vorgänger Wulff angesprochen. Ob er ihm leid tue, wollen diese wissen. "Zunächst einmal gehört ein ganz genaues Überprüfen und Hinterfragen von Politikern zu unserer politischen Kultur," so Gauck. "Trotzdem bewegt mich das Schicksal von Christian Wulff und seiner Frau". Er habe das junge Paar damals ins Schloss Bellevue einziehen sehen - "mit all ihren Hoffnungen, was sie vielleicht politisch bewegen könnten. Wenn ich dann heute sehe, was aus diesen Hoffnungen geworden ist, dann tut mir das menschlich leid."

kmi