Nach rund zwölfstündigen Verhandlungen haben sich Bund und Länder auf eine Verlängerung des Lockdowns in Deutschland und eine Verschärfung der Anti-Corona-Maßnahmen zu Ostern geeinigt. Vom 1. bis einschließlich 5. April, also von Gründonnerstag bis Ostermontag, soll das öffentliche, private und wirtschaftliche Leben weitgehend heruntergefahren werden, um die dritte Welle der Pandemie zu brechen.
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Kommentatoren verschiedener Medien sehen die Beschlüsse kritisch. Die Rede ist von "eher simulierter Handlungsfähigkeit" ("Die Zeit") und "Politik mit der Brechstange" ("Rheinische Post"). Die Pressestimmen nach dem Bund-Länder-Gipfel zum weiteren Kurs im Kampf gegen die Coronakrise.
Das Medienecho zu den Bund-Länder-Beschlüssen
"Rheinische Post": "Festzuhalten bleibt: Die Politik hat beim 'Impfen und Testen' bislang versagt, die Öffnungen am 3. März kamen zu früh, waren dem Motto geschuldet: 'Ein Lockdown, bei dem keiner mitmacht, hat wenig Sinn.' Dennoch: Den Preis zahlen jetzt alle. Was die stundenlangen Beratungen nicht gebracht haben, ist ein abgestuftes, kluges Lockdown-Konzept. Dafür scheint die Kraft nicht mehr zu reichen, schon seit sechs Monaten nicht. Nun hat die Kanzlerin nochmal einen Kompromiss zu Stande gebracht. Die schwierigen Beratungen haben gezeigt, dass es vermutlich der letzte war, den sie noch durchsetzten konnte. Politik mit der Brechstange zum Wohle aller."
"Die Zeit": "'Das Team Vorsicht hat sich durchgesetzt', behauptete im Anschluss an das Treffen CSU-Chef Markus Söder. In Wahrheit allerdings wurde hier Handlungsfähigkeit eher simuliert als tatsächlich unter Beweis gestellt. Da ist zum Beispiel der sogenannte Osterlockdown: Fünf Tage soll das öffentliche Leben weitgehend eingeschränkt werden, selbst Supermärkte sollen schließen. Klingt martialisch, doch wenn man bedenkt, dass drei Tage davon ohnehin Feiertage gewesen wären und die Supermärkte zudem anders als zunächst geplant am Karsamstagmorgen doch öffnen dürfen, dürfte der Effekt überschaubar bleiben. (...) An einen wirklich harten Lockdown trauen sich die Ministerpräsidentinnen und die Kanzlerin trotz derzeit rasant steigender Infektionszahlen und der Gefahr, dass dadurch neue Virusmutanten entstehen könnten, nicht heran."
"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Eine Politik, die den Anschein erweckt, dass Deutschland bei einer immer noch vergleichsweise niedrigen Sieben-Tage-Inzidenz und mit einem der besten Gesundheitssysteme in Europa am Rand einer Katastrophe steht, begibt sich auf einen gefährlichen Grat. Sie wird auf Zustimmung bei jenem Teil der Gesellschaft stoßen, der sich seit Monaten schärfere Einschränkungen wünscht. Aber sie verspielt auch Vertrauen unter denjenigen, die auf die nächsten Öffnungsschritte gehofft hatten. Andernorts in Europa sind bei ähnlichen oder höheren Inzidenzen Geschäfte, Schulen und mitunter sogar Hotels und Skilifte offen. Gehen diese Länder womöglich souveräner mit der Pandemie um?"
"Der Spiegel": "Weitere Lockerungen wären unverantwortlich gewesen. Die am Ende doch noch beschlossenen Verschärfungen des bisherigen Shutdowns sind angemessen. Das eigentliche Versagen ist nicht, was gestern beschlossen wurde. Das eigentliche Versagen ist, dass die deutsche Politik gar keine Alternativen mehr zum Shutdown hatte. Weil in den vergangenen Monaten so viel versemmelt wurde, dass Lockerungen in der Tat nun keine Option mehr waren. Dabei wäre die anhaltenden Einschränkungen der Freiheitsrechte vermeidbar gewesen, hätte die Politik in der Vergangenheit konsequenter und entschlossener gehandelt."

"Bild": "Das Ergebnis des Bund-Länder-Gipfels lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Die Regierung hat den Schuss nicht gehört. Wer sich alle drei Wochen zum großen Corona-Gipfel trifft, um alte Beschlüsse zu kippen, sich immer neue Verbote auszudenken und unerreichbare Inzidenz-Werte vorzugeben, erreicht nur eins: vergraulte Bürger. (...) Das müsste unsere Regierung nach fünf Monaten Lockdown, der eigentlich nur vier Wochen dauern sollte, auch begreifen. Und sich darum kümmern, wofür sie wirklich zuständig ist: Schnelltests besorgen, Impfstoff liefern, Masken verteilen."
"Die Welt": "Landliebe-Sprech und Durchhalte-Hashtags: Wer glaubt, dass die müde und gereizte Republik das jetzt braucht, der hat sich abgekoppelt von der Lebensrealität der Bevölkerung. Der offenbart ungewollt auch den Vertrauensverlust, der sich so schnell ausgebreitet hat wie das Virus. Und der unterschätzt seine Bürger, die mit klaren Worten durchaus umgehen können. Abgesehen davon, dass viele sich statt Ruhetagen eher mehr Tempo wünschen, beim Aufsetzen einer flächendeckenden Test-Strategie zum Beispiel. Und dann sind da ja auch noch die Impfungen."
"T-Online": "Dass die Länder am Tag nach dem Gipfel gern ihr eigenes Süppchen kochen, ist nichts Neues. Auch heute werden viele Ministerpräsidenten vor die Presse treten und über die Regeln in ihrem Bundesland informieren. In vielerlei Hinsicht ist ein regionales Vorgehen durchaus sinnvoll. (...) Einigkeit aber sollte darüber bestehen, dass die stundenlang ausgehandelten Kompromisse wirklich umgesetzt werden – und nicht beim nächsten Gipfel in drei Wochen noch einmal neu versprochen werden müssen. Denn sonst verspielen wir wertvolle Zeit, während das Virus durch seine Mutationen schneller wird."