Corona-Gipfel Radikale "Ruhephase" über Ostern: Auf diese Maßnahmen haben sich Bund und Länder geeinigt

Oster-Lockdown: Deutschland schaltet wieder in Krisenmodus
Oster-Lockdown: Deutschland schaltet wieder in Krisenmodus.
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Sehen Sie im Video: Hier erklärt Merkel den radikalen Oster-Lockdown – Deutschland wieder im Krisenmodus.




Nach 11 Stunden haben Bund und Länder ihre Corona-Beratungen beendet. Gegen 2.45 Uhr verkündeten Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller eine Verlängerung des Corona-Lockdowns und einen fast völligen Stillstand des öffentlichen Lebens über Ostern. "Und deshalb sollen der 1. April - Gründonnerstag also - und der 3. April einmalig als Ruhetage definiert werden mit weitgehenden Kontaktbeschränkungen sowie einem Ansammlungsverbot vom 1. bis 5. April - also eine erweiterte Ruhezeit zu Ostern. Es gilt damit an fünf zusammenhängenden Tagen das Prinzip: 'Wir bleiben Zuhause!' " In dem Beschluss heißt es warnend, dass die Zahl der Neuinfektionen ohne deutlich einschränkende Maßnahmen so schnell steigen werde, "dass bereits im April eine Überlastung des Gesundheitswesens wahrscheinlich ist". "Versammlungen im öffentlichen Raum untersagen, Außengastronomie - soweit sie schon geöffnet ist - wird während dieser fünf Tage geschlossen. Und ausschließlich der Lebensmittel-Einzelhandel im engen Sinne wird am Samstag geöffnet." Zu möglichen Oster-Gottesdiensten sagte Merkel: "Wir werden mit den Religionsgemeinschaften - und dabei werden Bund und Länder auf die Religionsgemeinschaften zugehen - religiöse Versammlungen in dieser Zeit nur virtuell durchzuführen, ich betone: 'mit der Bitte'. " Während Berlins Bürgermeister Michael Müller sagte, man sei weggekommen von dem "Auf-Zu-Auf-Zu"-Verfahren früherer Monate, lobte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, dass das "Team Vorsicht" in den Beratungen gewonnen habe. Merkel äußerte ihre Zuversicht: "Aber die Situation ist schon sehr deutlich anders. Einmal die Selbsttests, die Schnelltests - und das sieht man ja jetzt auch Tag für Tag, wann haben Sie solche flächendeckenden Testzentren bei den früheren Lockdowns gesehen - und natürlich noch dazu, das täglich mehr werdende Impfen. Also insofern ist es länger schwer als wir dachten, aber ganz eindeutig ist auch Licht am Ende des Tunnels zu sehen." Besonders umstritten war in den Beratungen die Frage der Urlaubsreisen. Im Streit um Mallorca-Urlaube fordern Bund und Länder nun die Fluggesellschaften auf, künftig alle Urlaubsrückkehrer vor dem Rückflug testen. Merkel betonte, dass es wegen der geöffneten Hotels auf Mallorca schwierig sei, Reisen dorthin zu verbieten. Die Küstenländer Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Niedersachsen verzichteten nach langem Ringen auf den "kontaktarmen Urlaub" im eigenen Bundesland schon an Ostern. Bund und Länder einigten sich zudem auf eine Verschärfung der "Notbremse", falls die Inzidenz wieder über 100 steigt. Dann sollen Öffnungsschritte zurückgenommen werden. Vor allem das Infektionsgeschehen prägte die Debatten. "Wir haben eine neue Pandemie", sagte Merkel mit Hinweis auf die aggressiveren Virus-Varianten, die sich durchgesetzt hätten. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte am Montag 7709 neue Positiv-Tests verzeichnet - 1105 Fälle mehr als vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 107,3 von 103,9 am Vortag. Die Zahl der Corona-Intensivpatienten in den Krankenhäusern stieg laut Divi-Register auf 3134. Bund und Länder fordern von den Unternehmen, dass sie Mitarbeiter in den Betrieben zweimal wöchentlich testen. Anfang April werde man sehen, wie viele Unternehmen die Selbstverpflichtung umgesetzt hätten. Zugleich wurden zusätzliche Unternehmenshilfen versprochen. Merkel und die Ministerpräsidenten wollen am 12. April erneut beraten.
Vor drei Wochen schlugen Bund und Länder im Kampf gegen Corona einen Lockerungskurs ein. Jetzt reißen sie das Ruder wieder herum. Über Ostern wird der Lockdown schärfer als jemals zuvor. Und Urlaubsreisen sind in den Ferien kaum möglich.

Angesichts drastisch steigender Corona-Infektionszahlen schicken Bund und Länder ganz Deutschland über Ostern in den schärfsten Lockdown seit Beginn der Pandemie vor einem Jahr. Vom 1. bis einschließlich 5. April, also von Gründonnerstag bis Ostermontag, soll das öffentliche, private und wirtschaftliche Leben weitgehend heruntergefahren werden, um die dritte Welle der Pandemie zu brechen. Das beschlossen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder in einer mehr als elfstündigen Marathonsitzung in der Nacht zum Dienstag.

Der seit mehr als drei Monaten geltende harte Lockdown zur Bekämpfung der Corona-Pandemie wird insgesamt um drei Wochen bis zum 18. April verlängert. Am 12. April soll darüber beraten werden, wie es danach weitergeht. "Wir haben das Virus noch nicht besiegen können, es lässt nicht locker", begründete Merkel am frühen Dienstagmorgen die harten Maßnahmen. Deutschland sei in einer sehr ernsten Lage mit exponentiell steigenden Fallzahlen, einer steigenden Belastung der Intensivstationen in den Kliniken und der Ausbreitung ansteckenderer Coronavirus-Varianten. Diese Schritte sollen helfen:

"Ruhepause" über Ostern

Merkel nennt den besonders scharfen Lockdown über Ostern eine "Ruhepause". Der Gründonnerstag und Karsamstag werden demnach einmalig als Ruhetage definiert und mit weitgehenden Kontaktbeschränkungen verbunden. "Es gilt damit an fünf zusammenhängenden Tagen das Prinzip #WirBleibenZuHause", heißt es in dem Beschluss von Bund und Ländern. Nur am Karsamstag soll demnach der Lebensmittelhandel geöffnet bleiben. Private Zusammenkünfte sollen auf den eigenen Haushalt und einen weiteren Hausstand, jedoch maximal fünf Personen beschränkt werden. Kinder bis 14 Jahre werden nicht mitgezählt. Paare mit getrennten Wohnungen gelten als ein Haushalt.

Ansammlungen im öffentlichen Raum werden dem Beschluss zufolge in dieser Zeit generell untersagt. Wo bereits Außengastronomie offen ist, muss sie für diese fünf Tage wieder geschlossen werden. Kirchen und Religionsgemeinschaft werden gebeten, an Ostern nur Online-Angebote für die Gläubigen zu machen. Nur Impf- und Testzentren sollen offen bleiben.

"Notbremse" soll greifen

Die Anfang März vereinbarte "Notbremse" bei mehr als 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen soll konsequent umgesetzt werden. Öffnungsschritte sollen bei Erreichen der Marke zurückgenommen werden – am Dienstagmorgen lag sie laut Robert Koch-Institut bei 108,1. Die Landkreise sollen darüber hinaus aber auch weitere Maßnahmen ergreifen, wenn der Schwellenwert überschritten wird. Als Möglichkeit genannt werden in dem Beschluss unter anderem Ausgangsbeschränkungen, verschärfte Kontaktbeschränkungen und die Pflicht zu tagesaktuellen Schnelltests in Bereichen, in denen das Abstandhalten oder konsequente Maskentragen erschwert sind.

Sehen Sie im Video: Shutdown zu Ostern – die Pressekonferenz zum Corona-Gipfel in voller Länge.

Pressekonferenz von Bund und Ländern: Sehen Sie hier die PK in voller Länge
Pressekonferenz von Bund und Ländern: Sehen Sie hier die PK in voller Länge
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Radikaler Oster-Lockdown: Sehen Sie hier die Pressekonferenz zu den neuen Corona-Regeln

Mehr Tests an Schulen

Die harten Maßnahmen sollen durch mehr Tests begleitet werden. Bund und Länder wollen Corona-Tests für Schüler, Lehrkräfte und Kita-Beschäftigte ausweiten und streben "baldmöglichst zwei Testungen pro Woche" an. Die Verteilung und Organisation läuft regional unterschiedlich gut, und über die praktische Umsetzung wird vielerorts noch diskutiert – beispielsweise über die Frage, ob die Tests zu Hause oder in der Schule stattfinden sollen. Zur Organisation des weiteren Betriebs von Schulen und Kitas, etwa zu möglichen Schließungen oder anderen Einschränkungen, trafen Merkel und die Ministerpräsidenten keine konkreten Vereinbarungen. Die Länder regeln diese Fragen damit weiterhin in Eigenregie.

Mallorca-Urlaub "entschärft"

Urlaub in Mallorca trotz steigender Infektionszahlen: Die Aufhebung der Reisewarnung und Quarantänepflicht für die Lieblingsinsel der Deutschen hat für viel Aufregung gesorgt. Urlaub wird dort zwar weiter möglich sein. Bund und Länder appellieren aber an die Fluggesellschaften, keine zusätzlichen Flüge mehr für die Osterferien anzubieten.

Zudem soll für alle Flüge aus dem Ausland nach Deutschland eine generelle Testpflicht vor Abflug eingeführt werden. Bisher müssen nur Einreisende aus "Hochinzidenzgebieten" mit besonders vielen Infektionen sowie aus Gebieten mit neuen Virusvarianten bei Einreise einen Test vorweisen. Kommt man aus einem "normalen" Risikogebiet, muss man sich erst 48 Stunden nach Ankunft in Deutschland testen lassen, was sich schwer kontrollieren lässt. Es gibt aber auch Gebiete in Europa, die gar nicht mehr auf der Risikoliste des RKI stehen, wie zum Beispiel Mallorca. Die neue Testpflicht zielt vor allem auf Urlauber ab, die von dort in den nächsten Wochen nach Deutschland zurückkehren. In der Osterzeit sollen es um die 40.000 sein.

Pressekonferenz von Bund und Ländern: Sehen Sie hier die PK in voller Länge
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Hotels im Inland bleiben zu

Tourismus im Inland wird auch in den Osterferien nicht möglich sein. Hotels und andere Beherbergungsbetriebe sollen für Urlauber geschlossen bleiben. Dieser Punkt sorgte in den Beratungen für besonders viel Ärger. Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz drangen darauf, ihren Bürgern Urlaub in Ferienwohnungen, Ferienhäusern, Appartements, Wohnwagen und Wohnmobilen möglich zu machen, sofern diese über eigene Sanitäreinrichtungen verfügen und auch das Essen in Eigenregie organisiert werden kann. Davon ist im Beschluss nichts mehr zu finden.

Schnelltest
 Ein Corona-Schnelltest liegt auf einer geöffneten Hand. 
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Arzt erklärt: So klappt's mit dem Corona-Schnelltest zu Hause

Die Bund-Länder-Runde zählte zu den schwierigsten seit Beginn der Pandemie. Dem Vernehmen nach zeigte sich Kanzlerin Merkel zwischenzeitlich sehr unzufrieden mit dem Verlauf. Stundenlang wurde die große Runde unterbrochen und in kleinem Kreise weiterverhandelt. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sprach nach den Beratungen von einer "schweren Geburt". Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder nannte die Verhandlungen schwierig, lobte aber auch den klaren Kurs, der gefunden worden sei. "Wir wissen, dass Corona bleischwer über dem Land liegt", sagte er. Man habe es jetzt aber in der Hand, die dritte Welle schneller zu beenden als die vorherige. "Ungeduld darf nicht zu unserer Schwäche werden", mahnte der CSU-Vorsitzende.

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fs