stern exklusiv Zu Besuch bei den Kohls in Oggersheim

Ein Nachmittag bei den Kohls: stern-Autorin Ulrike Posche besuchte den Altkanzler und seine Frau Maike in Oggersheim. Sie traf auf ein Ehepaar, das sich trotz Handicap viel zu sagen hat.

Noch immer wachen Personenschützer über den Altkanzler. Ein weißer Pavillion beherbergt das "Sicherheitskommando". Besucher müssen angemeldet sein und ihren Ausweis zeigen, bevor sie sich dem Haus nähern dürfen. Eine Rampe führt inzwischen zur Haustür. Denn seit seinem Sturz im Jahr 2008, bei dem er ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt, verlässt Helmut Kohl sein Haus nur noch im Rollstuhl.

Maike Kohl-Richter, 50, öffnet die Tür. Sie trägt ein schwarzes Kleid eines Schweizer Designers und Lackpumps. Sie wirkt sehr schmal und zart. Die Hausherrin führt uns durch das große, hell und modern eingerichtete Wohnzimmer zum Esstisch nebenan. Vorbei an einer Wand kundig gehängter Ikonen, die Helmut Kohl stets gesammelt hat. Vorbei an Ölbildern des Malers Otto Dill, der gleich um die Ecke, in Neustadt an der Weinstraße, geboren wurde und Tierszenen ebenso malte wie die Landschaften seiner Heimat. Durch die lange Fensterfront dringt das melancholische Licht eines letzten Sonnentags im Oktober.

Die braunen Augen sind hellwach

Nach einer halben Stunde etwa kommt Helmut Kohl zum Gespräch dazu. Ein Aufzug führt von den oberen Räumen in die Küche. Ein junger Mann rollt ihn von dort ins Esszimmer an den Tisch. Kohl erscheint in Anzug und Krawatte. Die Revers seines Sakkos sind handgesäumt, er trägt daran den Anstecker seines Bundesverdienstkreuzes, des Großkreuzes "in besonderer Ausführung".

Als er seine Frau sieht, strahlt der 84-Jährige sie an. Das auf Fotos oft starr wirkende Gesicht wird auf einmal rund und weich und milde. Die braunen Augen sind hellwach. Helmut Kohl benutzt wie viele Männer seines Alters durchsichtige Hörgeräte, trotzdem muss ihm Maike Kohl-Richter manche Frage noch einmal laut wiederholen. Er antwortet schnell, auch auf Fragen, die eigentlich seiner Frau gestellt wurden.

Sie lachen sich an wie frisch Verliebte

Helmut Kohl ist bei der Sache, er verfolgt das Gespräch und sucht doch stets den Blick seiner Frau. Manchmal lachen sie sich an wie – man muss das so sagen – wie frisch Verliebte. Und er scheint seine Frau zu bewundern. Ihre Energie, ihre Leidenschaft für das jeweilige Thema, ihr Temperament. Maike Kohl-Richter weiß um die Sätze ihres Mannes. Sie versteht ihn blind. Und doch vergewissert sie sich jedes Mal, wenn sie einen seiner Sätze für Dritte komplettiert: "Meintest Du das?" oder: "Herr Bundeskanzler, wolltest Du das sagen?"

Man muss sich bemühen, und es dauert ein wenig, bis man sich in die Sprechweise des Altkanzlers eingehört hat, aber dann versteht man jedes Wort. Es ist fürsorglich, wie sie mit ihm redet und umgeht, nicht vorsorglich. Sie gibt ihm eine Stimme, wenn seine versagt. Sie bevormundet ihn nicht. Sie weiß genau, was er will.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Sie ist Dr. Maike Kohl-Richter. Und nicht Frau Helmut Kohl.

Ein Interview mit dem Ehepaar Kohl...

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