Die FDP dringt darauf, kommende Woche im Bundestag abschließend über das Gesetz zur Bezahlkarte für Geflüchtete zu entscheiden. "Wir müssen die Bezahlkarte nächste Woche durch den Bundestag bringen. Es ist sehr ärgerlich, dass das noch nicht geschehen ist", sagte Fraktionschef Christian Dürr der "Rheinischen Post". Auch die SPD dringt auf eine rasche Verabschiedung.
Wie ist die Ausgangslage?
Das Kabinett hatte bereits am 1. März für den Gesetzesvorschlag von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gestimmt, um damit die geplante Bezahlkarte für Asylbewerber mit einem Bundesgesetz abzusichern. Dürr plädierte damals dafür, die neue Rechtslage schon in der laufenden Sitzungswoche des Bundestags zu beschließen. Noch zu prüfen ist nach dem Entwurf, ob bestimmte Gruppen von der Bezahlkarte ausgenommen werden sollen. Das betrifft etwa Asylbewerber, die sich schon länger in Deutschland aufhalten und die arbeiten, studieren oder eine Ausbildung machen und staatliche Leistungen beziehen, die in Art und Höhe dem Bürgergeld entsprechen (Analogleistungen).
Was fordern die Grünen?
SPD und FDP haben dem Koalitionspartner Grüne vorgeworfen, die geplante Gesetzesregelung zu verzögern. FDP-Fraktionschef Christian Dürr und SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese forderten am Mittwoch in der "Bild"-Zeitung, Verzögerungen zu vermeiden und die Gesetzesänderung zu ermöglichen. Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch wies gegenüber der Nachrichtenagentur AFP auf weiteren Klärungsbedarf hin: Es gehe darum, Gesetze zu machen, "die vor Ort funktionieren", sagte Audretsch.
"In der Sache ist uns Grünen wichtig, dass vor allem Menschen, die dauerhaft in Deutschland leben, die Möglichkeit haben sich zu integrieren", sagte Audretsch. "Das heißt zum Beispiel, dass sich Kinder am Schulkiosk ein Brötchen kaufen können, dass sich Auszubildende ein Busticket in die nächste Stadt kaufen können, dass Alleinerziehende Mütter günstig im Second-Hand-Laden einkaufen können."
Für die CDU ist es allerhöchste Zeit, dass die Bezahlkarte kommt
Angesichts der Verzögerung bei der Gesetzesänderung für eine Bezahlkarte für Flüchtlinge übt Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner scharfe Kritik an den Grünen. "Jetzt ist nicht die Zeit für parteipolitische Spielchen, es geht um die Stabilität unseres Landes. Das müssen auch die Grünen im Bund endlich begreifen und ihre Blockadehaltung aufgeben", sagte der CDU-Politiker dem Berliner "Tagesspiegel". "Alle Bundesländer planen bereits mit der Bezahlkarte. Der Bundeskanzler muss jetzt ein Machtwort sprechen, damit die Menschen nicht noch weiter Vertrauen verlieren", forderte Wegner von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Trotz eines Beschlusses des Bundeskabinetts zu der Bezahlkarte ist weiter unklar, wann die bundesweite Regelung im Bundestag beschlossen wird. SPD und FDP zeigen mit den Fingern auf den dritten Koalitionspartner Grüne.
Welche Kritik gibt es außerhalb der Fraktionen?
Der Paritätische Gesamtverband lehnt die Einführung der Bezahlkarte ab und begrüßt die von den Grünen geforderte Prüfung. "Es ist offenkundig und abzulehnen, dass hier in erster Linie ein Abschreckungsinstrument, basierend auf Vorurteilen gegenüber geflüchteten Menschen, geschaffen werden soll." Die Folgen der zahlreichen Restriktionen, die durch eine Bezahlkarte ermöglicht werden, seien noch nicht absehbar, so Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider.
Auch der Flüchtlingsrat in Brandenburg hat erneut vor einer Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber gewarnt. Ein solches Zahlungsmittel sei diskriminierend und greife massiv in die freie Lebensgestaltung der Menschen ein, sagte eine Sprecherin des Rates.

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Man könne nicht überall mit Karte zahlen, ergänzte die Sprecherin. Das Gemüse auf dem Markt sei nicht mit Karte bezahlbar. Zudem müssten Überweisungen weiter möglich sein. Die Asylbewerber müssten etwa Handyrechnungen oder Wohnkosten begleichen – das ginge ohne die Möglichkeit der Überweisung kaum. "Das ist total problematisch."
Erste Warnungen vor künftigem Missbrauch
Ob die Bezahlkarte überhaupt die gewünschten Wirkungen erzielen wird, bestritt ein von der "Bild"-Zeitung als Insider bezeichneter Gesprächspartner aus dem sogenannten Clanmilieu. Es werde an einem System gearbeitet, bei dem Flüchtlinge mit der Bezahlkarte zwar einkaufen würden, im Anschluss die Ware aber weitergeben sollen. Die Summe für den angeblichen Kauf werde dann ausgezahlt, wofür jedoch eine "Transfer-Gebühr" anfalle.
Wie geht es nun weiter?
Geplant ist laut Gesetzentwurf, dass die Bezahlkarte explizit als eine Option ins Asylbewerberleistungsgesetz aufgenommen wird – neben den bereits bestehenden Möglichkeiten von Geld- oder Sachleistungen. Heils Formulierungshilfe sieht vor, dass den Bundesländern überlassen wird, ob sie das neue Instrument nutzen wollen oder aber Geld- oder Sachleistungen bevorzugen. Auch die konkrete Ausgestaltung der Karte soll den Ländern obliegen – etwa ob und wie viel Bargeld Asylsuchende von der Karte abheben können.
Kommen soll die Karte bundesweit 2024 oder 2025. In dieser Woche sollte der Bundestag über die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes zur Einführung der bundesweiten Bezahlkarte abstimmen. Doch das ist verschoben worden. Ein konkreter Termin steht derzeit noch nicht fest
Quellen: "Rheinische Post", "Bild"-Zeitung, "Tagesspiegel", mit Agenturen