Was widersprüchlich klingt, ist gleichwohl logisch. Zu besichtigen waren äußeres Selbstvertrauen und innere Unsicherheit exemplarisch auf dem FDP-Dreikönigstreffen, zu dem sich die Liberalen alljährlich treffen, um das politische Jahr zu eröffnen. Selten zuvor hat man den FDP-Parteivorsitzenden Guido Westerwelle sich so selbstbewusst rednerisch inszenieren sehen. Seine Attacken auf die Kanzlerin ohne Samthandschuhe, aber inhaltlich fair. Gegen die Große Koalition kämpfte er vorzugsweise mit rednerischen Tiefschlägen. Und dennoch: In jeder nichtöffentlichen Phase dieses Dreikönigstreffen war die Angst in den liberalen Reihen zu spüren, trotz zweistelligem Ergebnis weitere vier Jahre in die Opposition getrieben zu werden – was durchaus geschehen könnte.
FDP will nicht mehr neoliberal sein
Zwar stehen sie derzeit besser da denn je zu Westerwelles Zeiten. Weit über der Fünf-Prozent-Hürde, demnächst voraussichtlich auch in Hessen wieder an der Regierung und damit nach Niedersachsen, Baden-Württemberg und NRW politisch mitbestimmend in noch einem wirtschaftsstarken Bundesland. Aber die Liberalen wissen nicht, ob die stabile Verankerung auch noch bei einer Bundestagswahl trägt, deren Umfeld für die Wähler von wirtschaftlicher Rezession und Arbeitslosigkeit geprägt sein könnte. Und in der sich über die Linkspartei eine grundlegende Veränderung des deutschen Parteiensystems vollzieht. Fast schon komisch kommt über die Rampe, wie sich die Westerwelle-Fans, die früher den Zuruf "Neoliberal" wie einen Kampforden trugen, sich jetzt plötzlich wieder zu Ludwig Erhards Marktwirtschaft bekennen, die sehr wohl Tabus beim sozialen Abbaus respektierte, die von der FDP in den vergangenen Jahren heftig befehdet worden sind. Die Neoliberalen von gestern lernen die liberale Marktwirtschaft neu. Erinnern sich an die moralischen Werte dieses Systems.
Die erkennbare Rückbesinnung auf alte wirtschaftsliberale Tugenden setzt sich allerdings in rechtsstaatsliberalen Bereichen keineswegs überzeugend fort. Einen politischen Neustart in Deutschland fordert die FDP. Noch immer wichtigste Position ist dabei für sie der Umbau der Struktur des Steuersystems, gefolgt vom Ruf nach Abschaffung der soeben beschlossenen Gesundheitsreform, einem Neustart der Bildungspolitik, in der Bildung als Bürgerrecht gilt. Und erst dann propagiert die FDP einen "Neustart der Bürgerrechte."
Wenig politische Glaubwürdigkeit
Glaubwürdig ist der nicht, so lange Westerwelle zulässt, dass die FDP - wie in NRW geschehen - selbst Gesetze gegen die Bürgerrechte beschließt, um sie dann vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe von Alt-Liberalen wie Gerhard Baum abschießen zu lassen. Programmatisch wird nach dem Willen des gedankenarmen Generalsekretärs Niebel weiterhin Schmalspur gefahren. Er hat durchgesetzt, dass es ein neues FDP-Grundsatzprogramm für eine grundlegend veränderte Welt erst in vier Jahren geben darf. Muss wohl noch länger nachdenken, der Chefdenker der FDP.
Womit diese FDP vor allem zu kämpfen hat, ist ihr Verlust an politischer Glaubwürdigkeit. Sie operiert in den Ländern keineswegs so, wie sie es für den Fall einer Machtbeteiligung im Bund verspricht. Wer glaubt ihr daher, dass sie im Kampf um eine Machtbeteiligung im Bund zur Linie steht, mit der sie derzeit um Wähler kämpft? Für Westerwelle geht es 2009 um die letzte Chance des Einzugs ins Amt des Außenministers. Interessiert es ihn dann noch, was er dem Mittelstand, dem Facharbeiter, den liberalfühlenden Bürgern im Wahlkampf versprochen hat? Oder schluckt er alles, was eine Kanzlerin Merkel ihm dann auftischt oder ihm im Blick auf eine Dreier-Koalition mit den Grünen zum Runterschlucken zumutet? Da müsste der ökonomische Sachverstand die - Verzeihung - politische Machtgeilheit der FDP-Führung besiegen. Darauf möchte man beim Blick auf die derzeitige FDP-Führung keine Wetten abschließen. Es bleibt nur das Prinzip Hoffnung.