Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat die von der Regierung beschlossene Atom-Laufzeitverlängerung ungewöhnlich scharf kritisiert. "Wir überschreiten hier das menschliche Maß", warnte Schneider in der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Der Atommüll strahle über einen derart langen Zeitraum, dass dafür von Menschen real keine Verantwortung übernommen werden könne.
Durch die Laufzeitverlängerung werde weiter Atommüll in Massen erzeugt, ohne dass klar sei, wo dieser Abfall gelagert werden könne, sagte der EKD-Ratsvorsitzende. "Es ist nicht zu verantworten, dass kommenden Generationen ein solch ungelöstes und weiter wachsendes Problem hinterlassen wird." Es sei richtig, "dass wir voraussichtlich eine Technologiebrücke hin zu den erneuerbaren Energien benötigen". Man werde tatsächlich auf Kohle und Gas nicht verzichten können, so Schneider. "Die Energiebrücke kann aber aus Sicht der EKD nicht die Atomtechnologie sein." Denn diese erfordere in einer Weise Perfektion, "wie sie Menschen zu leisten nicht in der Lage sind".
Die Verbraucher müssten sich trotz längerer Atom-Laufzeiten auf höhere Energiekosten einstellen, prognostizierte Gerd Billen, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband. "Die Laufzeitverlängerung wird nicht den von der Regierung erhofften preisdämpfenden Effekt haben", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch). Der unbestritten notwendige Ausbau der Stromnetze und die Förderung der erneuerbaren Energien, vor allem der Photovoltaik, werde die Strompreise weiter in die Höhe treiben.
Zwar seien die Ziele von Schwarz-Gelb ehrgeizig, und viele der Maßnahmen gingen in die richtige Richtung, "aber sie sind unter dem Strich nicht effizient genug". Es sei auch keinesfalls sicher, dass die Kraftwerksbetreiber die Extraprofite in den Ausbau erneuerbarer Energien investierten.
Der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen der Bundesregierung, Martin Faulstich, kritisierte das am Dienstag im Kabinett verabschiedete Energiekonzept. Er sagte dem "Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung" (Mittwoch): "Es besteht die Gefahr, dass die vier großen Stromkonzerne am System des Einspeisevorrangs und der -vergütung für erneuerbare Energien kratzen, wenn sie merken, dass ihre Atomkraftwerke doch nicht so profitabel laufen. Denn je mehr erneuerbare Energien im Netz sind, desto häufiger müssen sie ihre Kraftwerke ja eigentlich abschalten, weil deren Strom dann viel zu teuer ist. Deshalb könnte der Druck auf die Politik wachsen, das Erneuerbare-Energien-Gesetz entsprechend abzuändern."
Faulstich fügte hinzu: "Durch das neue Energiekonzept sollte ja eigentlich Investitionssicherheit erreicht werden. Wenn die Opposition aber bereits jetzt ankündigt, die Laufzeitverlängerung wieder rückgängig zu machen, dann wissen viele Branchen wieder nicht, was sich zukünftig lohnen wird."