FDP-Parteitag Das Ende der Spaßpartei

Ohne Guidomobil, gelb-blaue Luftballons und laute Popmusik präsentierte sich die FDP auf ihrem Bundesparteitag in Bremen - passend zum Aufruf nach einer 'geistig moralischen Wende'.

Die Liberalen gaben sich am Wochenende betont seriös und wollten damit das Ende der Spaßpartei einläuten. Von Bremen sollte ein Signal des Neuanfangs für die in den vergangenen Monaten arg gebeutelten Liberalen ausgehen. Es war der erste Parteitag seit Jahrzehnten ohne den inzwischen aus der FDP ausgetretenen ehemaligen Parteivizechef Jürgen Möllemann.

Möllemann-Geist noch nicht gebannt

Doch der Möllemann-Geist schwebt noch über den rund 600 Delegierten in der Bremer Stadthalle. Mit Spannung warten sie auf Parteichef Guido Westerwelle und seine als richtungweisend angekündigte Rede. Der Unmut der Parteibasis wegen seines Krisenmanagements bei der nordrhein-westfälischen Parteispendenaffäre und knapp verpasster Regierungsbeteiligung ist noch spürbar. Doch Westerwelle holt weit aus, greift die Bundesregierung in gewohnt harscher Weise an, spricht von einer Partei für das ganze Volk und nimmt Anleihen bei Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl, als er eine "geistig moralische Wende" fordert.

Westerwelle gibt Fehler bei Möllemann-Affäre zu

Erst zum Ende seiner mehr als 90-minütigen Rede übt Westerwelle Selbstkritik. Ja, auch er habe Fehler gemacht, gibt der Vorsitzende nach tiefem Luftholen zu. Er habe "zu sehr, vielleicht auch zu lange vertraut". Im Saal würde man eine Stecknadel zu Boden fallen hören. Den Namen Möllemann erwähnt er jedoch nicht, spricht stattdessen von einem "Repräsentanten der Partei".

Kein Spaß mehr

Doch einigen Delegierten geht die Reumütigkeit ihres Vorsitzenden nicht weit genug. Bernhard Jahntz vom Berliner Landesverband spricht vielen Liberalen aus der Seele, als er Führungsschwäche und "Kanzlerkandidaten-Kasperletheater" kritisiert. "Es ist nicht mehr Spaß", ruft er aus.

Weniger Stimmen als letztes Mal

Ganz und gar nicht spaßig müssen der Parteispitze auch ihre Wahlergebnisse vorgekommen sein. Einzig Westerwelle kann sich auf eine solide Basis verlassen. Rund 80 Prozent der Delegierten geben dem 41-Jährigen ihre Stimme und bestätigen ihn damit als FDP-Chef. Westerwelle spricht von einem großen Vertrauensbeweis. Aber vor zwei Jahren hatten noch rund 90 Prozent der Delegierten hinter ihm gestanden.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Pieper und Döring bekamenDenkzettel

Am härtesten trifft der Groll der Mitglieder aber die schon seit langem in die Kritik geratene Generalsekretärin Cornelia Pieper und den stellvertretenden Vorsitzenden Walter Döring. Die Wiederwahl der einstigen Vorzeigefrau aus Sachsen-Anhalt stand lange auf der Kippe. In vielen Landesverbänden ließ sich keine Mehrheit für die seit zwei Jahren mehr im verborgenen agierende Generalsekretärin finden. Erst nach deutlichen Worten von Parteichef Westerwelle im Bundesvorstand und weiterer Überzeugungsarbeit in den Landesverbänden geben rund 60 Prozent der Delegierten Pieper ihre Stimme. Alexander Alvaro von den Jungen Liberalen hält der Generalsekretärin zu wenig Außenwirkung und inhaltliche Positionierung vor.

Döring erst durch Intervention gewählt

Durchgefallen lautet das Wahlresultat für Döring. Erst nach Intervention Westerwelles erhält der baden-württembergische Wirtschaftsminister im zweiten Wahlgang die notwendige Mehrheit von rund 57 Prozent.

Leitantrag zum Umbau der Sozialsysteme

Nach den Personalien machen sich die Delegierten auf ihrem dreitägigen Parteitag an die Sacharbeit und verabschieden einen Leitantrag über einen radikalen Umbau der Wirtschafts- und Sozialsysteme. Die Liberalen fordern darin unter anderem umfassende Steuererleichterungen, Subventionsabbau, eine Begrenzung der Arbeitslosenunterstützung auf zwölf Monate und eine größere Eigenbeteiligung der Patienten im Gesundheitswesen.

FDP will Motor der Reformen sein

In der "Bremer Erklärung" betonte die FDP, die organisierten Interessen von Funktionären und Besitzstandswahrern hätten bis heute die notwendigen strukturellen Reformen verhindert. Verlierer seien fast fünf Millionen Arbeitslose, die kommenden Generationen und die sozial Schwachen. Zu den wesentlich weiter gehenden eigenen Forderungen der FDP zählen Subventionskürzungen um linear 20 Prozent, Verkauf aller Bundesbeteiligungen binnen fünf Jahren, Begrenzung des Arbeitslosengelds auf zwölf Monate, Kündigungsschutz erst nach zwei Jahren und ab 20 Beschäftigten, Begrenzung des Arbeitgeberbeitrags zur Krankenversicherung auf 6,5 Prozent und radikale Kürzung der Pflichtleistungen bei den Krankenkassen.

Gegen Fischer als europäischen Außenminister

Zum Abschluss des dreitägigen Kongresses stand am Sonntag die Außenpolitik im Mittelpunkt. Dabei warf FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt Außenminister Joschka Fischer vor, er habe keine wirkliche europäische Außenpolitik vertreten. "Darum sollte er auch nicht europäischer Außenminister werden", sagte Gerhardt. Der Parteitag forderte die Bundesregierung auf, wieder das Gespräch mit dem amerikanischen Präsidenten zu suchen und für eine Aufhebung der Sanktionen gegen Irak zu stimmen.

Türkei noch nicht in EU

In der Frage eines EU-Beitritts der Türkei setzten sich Westerwelle und Gerhard nach längerer, strittiger Diskussion mit der Auffassung durch, dass dafür die Voraussetzungen noch nicht gegeben seien. Die Jungen Liberalen hatten zuvor für eine türkeifreundlichere Haltung geworben.