Gesundheitsreform Das wird sich künftig ändern

Nach langem Ringen haben sich SPD und Union auf die Reform des Gesundheitssystems geeinigt. Der große Wurf ist zwar nicht gelungen - dennoch wird sich einiges ändern. stern.de stellt die wichtigsten Punkten vor.

Die jetzt von der Bundesregierung beschlossene Gesundheitsreform wird die Verbraucher zusätzlich belasten. Zum einen werden die Kassenbeiträge um 0,5 Prozent erhöht, zum anderen wird die kostenlose Mitversicherung von Kindern aus Steuern finanziert. Das wird den Bundesetat in den kommenden Jahren um mindestens 16 Milliarden Euro belasten.

Die große Koalition schließt zum jetzigen Zeitpunkt Steuererhöhungen aus, woher das Geld allerdings kommen soll, ist offen. Unsicher ist auch, ob die Beitragserhöhung um 0,5 Prozent ausreichen wird, die Löcher in den gesetzlichen Kassen zu stopfen. Die Krankenkassen jedenfalls schließen nicht aus, dass die Beitragssätze 2007 noch stärker steigen werden.

Der geplante Gesundheitsfonds stößt bei den Versicherungen auf Ablehnung. In diesen Topf fließen künftig die Beiträge Arbeitnehmern, Arbeitgebern sowie die Steuern; der Fonds soll die Gelder verwalten. Die Kassen erhalten daraus eine Summe für jeden Versicherten plus einen Ausgleich je nach Alter und Krankenstand der Mitglieder. Die private Krankenversicherung wird an dem Fonds nicht beteiligt.

Welche weiteren Konsequenzen die Gesundheitsreform hat, lesen Sie hier.

Gesetzliche Krankenkassen (GKV)

Die gesetzlichen Krankenkassen sind das Herz des derzeitigen Gesundheitssystems. 70 Millionen Deutsche sind bei einer der 254 Kassen versichert. Ihre Zahl wird aber wohl sinken. Grund dafür werden die neuen Aufgaben der Kassen sein: Künftig geht es weniger darum, Mitglieder zu gewinnen, sondern die Behandlungskosten zu drücken - vor allem kleinere Kassen könnten damit überfordert sein. Zudem soll jede Kasse mit einer anderen fusionieren können.

Die Versicherten werden künftig höhere Beiträge zahlen müssen: Die Sätze steigen ab 2007 um 0,5 Prozent. Der durchschnittliche Beitragssatz wird dann bei 14,7 Prozent des Bruttoeinkommens liegen - ein Rekordwert. Es bleibt dabei, dass sich Angestellte und Arbeitgeber die Beiträge teilen. Allerdings wird der Arbeitgeberanteil ab 2008 bei rund 6,9 Prozent eingefroren.

Mit Start des Gesundheitsfonds 2008 müssen die Krankenkassen mit dem ihnen zugeteilten Geldern auskommen. Tun sie das nicht, können sie ihre Mehrkosten als Zusatzbeitrag auf die Versicherten abwälzen, die im Falle einer Erhöhung ein Sonderkündigungsrecht haben. Erwirtschaften die Kassen einen Gewinn, können sie diesen in Form eines Bonus an ihre Versicherten weitergeben.

Private Krankenversicherungen

Die privaten Krankenversicherungen (PKV) bleiben bestehen, in den Gesundheitsfonds müssen sie nicht einzahlen. Die PKV müssen künftig einen Basistarif anbieten, der auf den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen basiert. Zu diesen Konditionen können dann ehemalige PKV-Versicherte zurückkehren, eine Gesundheitsprüfung fällt weg.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Auch alle freiwillig gesetzlich Versicherten dürfen diesen Basistarif in Anspruch nehmen. Unklar ist jedoch, ob und unter welchen Umständen Privatversicherte in die gesetzlichen Kassen zurückkehren können.

Der Wechsel innerhalb des Privatkassensystems soll leichter werden. Künftig können die angesparten Altersrückstellungen bei einem Wechsel mitgenommen werden.

GKV-Leistungskatalog

Zwar hatte die Union darauf gedrängt, einige Leistungen wie zum Beispiel Sportunfälle aus dem Katalog herauszunehmen, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Ausnahme: Komplikationen in Folge von Schönheitsoperationen, Piercings und Tätowierungen - diese Behandlungen müssen privat bezahlt werden.

Auch Praxisgebühr und Zuzahlungen werden nicht erhöht. Die Regeln für die Befreiung von Zuzahlungen bleiben ebenfalls unverändert.

Ärzte-Honorare

Das Honorarsystem wird spätestens 2009 neu gestaltet. Niedergelassene Ärzte rechnen mit den Kassen künftig in Euro statt in Punkten ab, außerdem werden Pauschalen eingeführt. Das soll verhindern, dass die Mediziner mehr Leistungen produzieren als nötig. Hausärzte bekommen dann einen festen Betrag pro Patient und Quartal. Der unterscheidet sich nach Alter und Geschlecht. Für Hausbesuche und gute Qualität soll es Zuschläge geben.

Apotheken und Medikamente

Bei den Apotheken ändert sich nichts, sie bleiben weiterhin Monopolist beim Verkauf von Medikamenten - aber es werden Höchstpreise eingeführt. Kassen und Apotheker werden Preisverhandlungen führen - mit dem Ziel, mindestens 500 Millionen Euro einzusparen. Wird dieses Ziel verfehlt, müssen die Apotheker den Kassen einen Sonderrabatt gewähren.

Die Apotheker werden künftig direkt mit den Pharmafirmen über Preise verhandeln können. Ärzte müssen vor der Verordnung sehr teurer und spezieller Arznei- und Hilfsmittel eine zweite Meinung eines ausgewiesenen Facharztes einholen. Neue Medikamente werden stärker auf Kosten und Nutzen geprüft.

Versicherung von Kindern

Kinder bleiben auch künftig beitragsfrei mitversichert. Ab 2008 sollen die Kassen dafür mit Steuergeldern unterstützt werden - allein 2008 muss der Bund 1,5 Milliarden Euro dafür locker machen. Die volle Finanzierung der Kinderversicherung soll Schätzungen zufolge rund 16 Milliarden Euro kosten. Steuererhöhungen soll es deshalb aber nicht geben.

Beiträge der Rentner

Der Beitragssatz für Rentner wird ebenfalls um 0,5 Prozent steigen. Bei gesetzlich Versicherten übernimmt die Hälfte die Rentenversicherung.