Die Gesundheitsreform ist in der bisher geplanten Form offenbar gescheitert. Nach stern.de-Informationen will die große Koalition auf den umstrittenen Gesundheitsfonds verzichten, das Kernstück der Reform. Dies erfuhr stern.de aus Koalitionskreisen. Die Entwicklung geht offenbar auf eine Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zurück. Nach stern.de-Informationen will die Koalition in der kommenden Woche ein alternatives Modell zur Finanzierung des Gesundheitssystems vorlegen. Angela Merkel und SPD-Chef Kurt Beck treffen sich am Freitag zu einem Spitzengespräch, auf dem der koalitionsinterne Streit um die Gesundheitsreform entschärft werden soll.
Merkel versucht einen Befreiungsschlag
Mit ihrer Entscheidung gegen den Fonds wagt Kanzlerin Angela Merkel einen Befreiungsschlag in dem scheinbar ausweglos festgefahrenen Streit um die Gesundheitsreform. Die Ministerpräsidenten der Union hatten beharrlich auf Änderungen an dem Fonds gedrungen. Mit der SPD wären diese nicht zu machen gewesen. Der Streit um die Gesundheitsreform war in den vergangenen Tagen zu einer handfesten Koalitionskrise eskaliert. Ein ganztägiges Expertengespräch über das Reformvorhaben war am Donnerstag ergebnislos beendet worden. Auch ein Treffen von Merkel mit den Ministerpräsidenten der Union blieb ohne Ergebnis.
SPD-Chef Kurt Beck sagte unterdessen der Presse, er sehe den Gesundheitsfonds nicht auf der Kippe. Die Meldung über ein Ende des Fonds seien falsch. "Die Probleme sind in der Union da", fügte der Regierungschef von Rheinland-Pfalz hinzu. "Das ist ein ernstes Thema, die Gesundheitsreform muss klappen."
Überraschende Entwicklung
Die Entscheidung Merkels scheint viele Unions- und SPD-Politiker unvermittelt zu treffen. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus lehnte noch am Donnerstagabend eine Herauslösung des Gesundheitsfonds aus dem Reformpaket ab: "Wenn man das Grundelement herauslösen würde, wäre der gesamte Gesundheitsreform-Kompromiss nicht mehr vorhanden", sagte er.
SPD-Fraktionschef Peter Struck drang auf eine Einhaltung der zwischen den Koalitionspartnern vereinbarten Eckpunkte: "Wenn man etwas vereinbart hat, muss man sich daran halten", sagte Struck der "Berliner Zeitung". Die Unions-Ministerpräsidenten müssten wissen, dass Kanzlerin Angela Merkel mit der SPD eine Vereinbarung über die Ausgestaltung der Reform beschlossen habe. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Ministerpräsidenten der Union ernsthaft daran interessiert sind, dass die Kanzlerin scheitert", sagte Struck der "Berliner Zeitung."
Lauterbach bemängelt Fonds
Grundsätzliche Kritik am Gesundheitsfonds äußerte dagegen der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Die Einführung des Fonds würde seiner Ansicht nach große Probleme mit sich bringen, sagte Lauterbach im ARD-Frühstücksfernsehen. So würde dadurch der Beitragssatz für die Krankenversicherung 2008 auf 15,5 Prozent steigen.
In den Gesundheitsfonds sollen nach den von den Koalitionsspitzen vereinbarten Eckpunkten die Beiträge der Versicherten fließen. Die Krankenkassen sollen aus dem Fonds finanziert werden. Kassen, denen diese Mittel nicht reichen, sollen eine Zusatzprämie erheben können, die jedoch auf ein Prozent des Haushaltseinkommens begrenzt ist. Dies lehnen Ministerpräsidenten der Union ab. Für die SPD ist die Begrenzung nicht verhandelbar.
Bundeskanzlerin Merkel und SPD-Chef Kurt Beck wollen in einem kurzfristig angesetzten Krisengespräch einen Ausweg aus der verfahrenen Debatte um die Gesundheitsreform suchen.

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick
Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!
CSU-Chef Edmund Stoiber erneuerte seine massive Kritik an Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Er warf der SPD-Politikerin vor, ihrerseits von den Eckpunkten abzurücken. Das, was die Ressortchefin an Vorschlägen für einen Gesetzentwurf vorgelegt habe, entspreche nicht den Vereinbarungen der Koalitionsspitze. "Deswegen gibt es noch ganz erheblichen Diskussionsbedarf", betonte Stoiber. "Wir erwarten von allen, dass sie bei den Eckpunkten bleiben." Althaus kritisierte, Schmidts Ministerium versuche, bei der Erstellung des Gesetzentwurfs doch noch SPD-Positionen durchzusetzen. "Das wird korrigiert." Ähnlich äußerte sich Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff.