Gesundheitsreform Union macht "alle Fässer auf"

Die geplante Gesundheitsreform entwickelt sich zur Sollbruchstelle der großen Koalition. Die Union stellt die Eckpunkte wieder in Frage, eine Einigung scheint nicht möglich, die Sympathiewerte von Merkel und Schmidt stürzen ab.

Die Verhandlungen zur Gesundheitsreform drohen zu scheitern, weil die Union die Eckpunkte in Frage stellt. Das ließen SPD-Mitglieder verlauten, die an der Sitzung der zuständigen Facharbeitsgruppe am Donnerstag teilnahmen. "Die machen sämtliche Fässer wieder auf", hieß es von Seiten der Sozialdemokraten. Zum Teil sei überhaupt nicht klar, was CDU und CSU wollten. "Das Ganze ist eher wirr." Die Fachpolitiker der Union besäßen offenbar keine Befugnis, Entscheidungen zu treffen. Am Donnerstagabend will sich Kanzlerin Merkel mit den Ministerpräsidenten der Union treffen, um die Reform zu beraten.

Härtester Streitpunkt ist nach Angaben der Sozialdemokraten die Zusatzprämie, die jede Kasse neben dem Beitrag erheben können soll. Die SPD will die Prämie auf ein Prozent des Haushaltseinkommens begrenzen, die Union lehnt dies ab. Auch der geplante Finanzausgleich, der Kassen mit vielen alten und kranken Mitglieder das Überleben sichern soll, werde wieder in Frage gestellt. Zudem wehre sich die Union dagegen, dass Privatpatienten die Rückstellungen, die ihre Kasse für sie gebildet hat, bei einem Wechsel der Kasse mitnehmen können.

Die SPD-Linke Andrea Nahles sagte in ZDF-"heute", die Union habe zentrale Kernpunkte der Vereinbarung mit der SPD aufgekündigt. "Das können wir nicht hinnehmen und aus meiner Sicht ist zum jetzigen Zeitpunkt der erste Versuch einer Gesundheitsreform in der großen Koalition gescheitert."

Ärzte wollen protestieren

Am Freitag ist in Berlin der "4. Nationalen Protesttag" der Mediziner geplant. Bis zu 20.000 Ärzte und Arzthelferinnen werden erwartet. Sie wollen gegen die geplante Gesundheitsreform demonstrieren. "Der 22. September soll für die Politik ein ernstes Warnsignal werden", erklärte der Chef des Marburger Bundes Frank Ulrich Montgomery. Der Entwurf zur Gesundheitsreform sei ein "indiskutables Papier", das die Arbeitsbedingungen der Ärzte und die Versorgung der Patienten verschlechtern würde. Die Ärzte würden finanziell stranguliert.

Der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie äußerte gegenüber dem Handelsblatt Zweifel, ob die Gesundheitsreform jemals verabschiedet werde. "Ich halte eine Reform bei den Unternehmensteuern für deutlich wahrscheinlicher als in der Gesundheit". Zugleich plädierte er dafür, auf den geplanten Fonds zu verzichten. "Der Fonds bringt nicht den nötigen Wettbewerb zwischen den Krankenkassen, um die Kosten im Gesundheitssystem dauerhaft senken zu können."

Merkel und Schmidt verlieren Sympathie

Offenbar aufgrund des Hickhacks um die Gesundheitsreform verlieren Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD)rapide an Ansehen in der Bevölkerung. In der Rangliste der kompetentesten Spitzenpolitiker rutschte Merkel vom zweiten auf den vierten Platz ab. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, die im Reformstreit von Kanzlerin Merkel und anderen Spitzenpolitikern der Union massiv kritisiert worden war, rangiert verlor auch im SPD-Lager weiter an Zustimmung. Die Umfrage hatte das Forsa-Institut im Auftrag des Nachrichtensenders ntv durchgeführt.