Als der Tag begann, da schien die Wetterlage noch recht ruhig für den Verteidigungsminister. Akademiker regten sich via Medien pflichtgemäß über ihn auf, aber ansonsten drängte nicht viel Neues nach vorne im Fall Guttenberg. "Immer mehr Kritik", Kanzlerin "immer stärker unter Druck", so oder ähnlich lauteten die Drehs, mit denen die Online-Sites das Thema weiter trieben.
Punkt 10:32 Uhr war Schluss mit der zähen Newslage: "'Bild': Guttenberg tritt noch heute zurück" tickterte über DPA - und die Redaktionen in ganz Deutschland waren schlagartig in Alarmbereitschaft. Karl-Theodor zu Guttenberg pflegte einen exzellenten Draht zum größten Blatt des Landes, da bestand an der Glaubwürdigkeit der Geschichte wenig Zweifel. Minuten später wurde ein Statement von Guttenberg für 11.15 Uhr angekündigt. Und in der Tat wurde es dann offiziell: Der Verteidigungsminister, Liebling des Volkes, Kanzlerhoffnung der CSU, politisches Lustobjekt der Medien, stolpert über die Plagiatsaffäre und tritt zurück von seinen politischen Ämtern. Sprich: als Minister und - wie am Abend bekannt wurde - auch als Bundestagsabgeordneter. Der Druck auf Guttenberg und die Union wurde nach zwei Wochen tatsächlich zu groß, vor allem, als sich der Protest der bürgerlichen Elite in Form von Wissenschaftlern zu einer Welle auswuchs.
Guttenberg sagte bei seinem letzten Auftritt als Minister, mit seinem Rücktritt wolle er Schaden vom Amt, seiner Partei, den Soldaten, aber auch der Wissenschaft abwenden. Es sei ihm nicht mehr möglich, den in ihn "gesetzten Erwartungen gerecht zu werden". Er schloss mit den Worten: "Ich war immer bereit zu kämpfen, aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht." Der 39-Jährige, der in den vergangenen Jahren eine rasante politische Karriere hingelegt hatte, sprach vom "schmerzlichsten Schritt" seines Lebens. Grund für den Rücktritt seien nicht in erster Linie die Fehler in seiner Doktorarbeit, sondern die Frage, ob er den eigenen "höchsten Ansprüchen" in seinen Ämtern noch nachkommen könne. Er sprach sich zugleich dafür aus, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe strafrechtlich zu überprüfen. Guttenbergs Doktorarbeit soll in weiten Teilen von anderen Autoren abgeschrieben sein.
Merkel und Seehofer werden überrumpelt
Während sich Guttenberg von der Opposition trotz Rücktritt noch Kritik gefallen lassen musste und Blogger sowie Wissenschaftler der Plagiatsaffäre weiter nachgehen wollen, zeigte sich die Kanzlerin kalt erwischt. Sie gestand, auf der Cebit von einem Anruf Guttenbergs "überrascht" worden zu sein. Angela Merkel nahm das Rücktrittsgesuch "schweren Herzens" an. Sie sei - wie viele Menschen im Land - betrübt darüber, sagte die Kanzlerin - und wurde entgegen ihrer Art fast ein wenig sentimental: Guttenberg habe die Herzen der Menschen erreicht.
Es gibt Beobachter, die meinen, dass CSU-Chef Horst Seehofer mit dem Rücktritt gut leben könne. Schließlich fällt jetzt ein innerparteilicher Rivale weg. Offiziell zeigte sich Seehofer allerdings schwer betroffen - und ebenfalls überrumpelt. "Ich bin - wie die ganze CSU - sehr betroffen und erschüttert". Mit Guttenberg trete ein herausragender Politiker, ein ausgezeichneter Verteidigungsminister und ein "überaus profilierter Kopf" seiner Partei zurück, für die der Schritt sehr schmerzlich sei.
Dass Guttenberg jetzt aber für immer weg vom politischen Fenster ist, glauben die wenigsten - vor allem in der CSU. Beobachter sprachen am Dienstag häufig von "fünf, sechs Jahren", in denen man wohl weniger von ihm hören werde. "Ich kann heute wiederholen, dass die CSU auch weiter zu Karl-Theodor zu Guttenberg steht. Er bleibt einer von uns", sagte Seehofer. Die CSU wolle alles dafür tun, dass Guttenberg der Partei erhalten bleibe. Viele Parteifreunde hoffen sogar inständig auf ein Comeback in einigen Jahren. "Ich bin mir sicher, dass Du nach wie vor eine große politische Zukunft vor Dir hat", schrieb - und er ist nur einer von vielen - der Münchner CSU-Chef Otmar Bernhard an Guttenberg.
Und auch die Kanzlerin sagte, dass sie in Kontakt mit Guttenberg bleiben wolle. Sie sei überzeugt, dass sie und Guttenberg - nach Klärung der Vorwürfe im Zusammenhang mit seiner Dissertation - "in welcher Form auch immer in Zukunft Gelegenheit zur Zusammenarbeit haben werden". Daraus sprach aber wohl auch die Gewissheit, dass Guttenberg ihr nie als möglicher Kanzlerkandidat gefährlich werden kann. Denn, und das ist gängige Meinung in der politischen Republik: Zum Kanzler wird es selbst bei einem Comeback für Guttenberg nach dieser Affäre nie mehr reichen.