Vizekanzler Guido Westerwelle will die heftige Diskussion über Hartz-IV-Leistungen ins Parlament bringen. "Ich fordere meine Kritiker auf, sich im Bundestag einer Generaldebatte zur sozialen Gerechtigkeit zu stellen", sagte der FDP-Politiker der "Bild"-Zeitung. Sie versuchten mit Beleidigungen zu verbergen, dass ihnen die Argumente fehlten.
Westerwelle erklärte, schärfer gegen Hartz-IV-Betrüger vorgehen zu wollen. "Wir wollen den Bedürftigen helfen, aber nicht den Findigen. Und wir dürfen nicht zulassen, dass der, der arbeitet, immer mehr der Dumme ist, weil ihm immer weniger bleibt." 45 Prozent des Bundeshaushaltes würden für Soziales ausgegeben, zusammen mit Zinsen für Schulden sogar 60 Prozent. Wenn die Politik so weitergehe, werde bald der normale Steuerzahler zum Sozialfall. Kritik an seinem Stil wies der Außenminister zurück. "Das Herumreden um den heißen Brei führt doch nur zu noch mehr Politikverdrossenheit", zitierte ihn die "Bild"-Zeitung.
Grüne kontern mit Vorschlag einer Regierungserklärung
Die Grünen wollen den FDP-Chef und dessen Forderungen nach einem neuen Sozialstaat in die Pflicht nehmen. "Wenn Herr Westerwelle im Bundestag eine Debatte über seine Sozialpolitik haben will, dann soll er doch eine Regierungserklärung hierzu abgeben", erklärte Grünen-Parlamentsgeschäftführer Volker Beck am Montag in Berlin. "Vielleicht wird ihm dabei auffallen, dass er dafür im Kabinett gar nicht zuständig ist."
Rückendeckung bekam Westerwelle hingegen von einem Parteifreund, dem hessischen FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn. Der forderte Kanzlerin Angela Merkel in der "Frankfurter Rundschau" auf, ihren Stellvertreter "vor unmöglichen Beschimpfungen aus der Union" in Schutz zu nehmen. Ähnlich äußerte sich der bayerische FDP-Vorsitzende Martin Zeil in der "Financial Times Deutschland". Merkel müsse angesichts des Streites über Steuersenkungen oder Gesundheitsreform "endlich Führung beweisen und ihrem Laden sagen, wo es lang geht". Stattdessen ergehe sich die Kanzlerin in "machttaktischen Spielchen" und gehe auf die Grünen zu.
Bosbach ruft zur Zurückhaltung auf
Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach forderte Westerwelle hingegen zu Zurückhaltung auf. Sensible Themen wie die Bezüge von Arbeitslosen und soziale Gerechtigkeit müssten ruhig diskutiert werden, sagte Bosbach am im ARD-"Morgenmagazin". Die Menschen dürften zudem nicht den Eindruck bekommen, die Regierungsparteien beschäftigten sich mehr mit sich selbst als damit, die Probleme des Landes zu lösen. Die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise seien noch nicht überwunden, die Lage auf dem Arbeitsmarkt sei sehr schwierig. "Wir sollten uns dadurch profilieren, dass wir die Probleme des Landes lösen und nicht dadurch, dass wir uns rhetorisch an die Gurgel gehen", sagte Bosbach.
Westerwelle hatte zuletzt am Wochenende seinen Standpunkt bekräftigt, nach dem Hartz-IV-Leistungen ungerecht verteilt würden. Inhaltlich bekam er dafür von den CDU-Ministern Wolfgang Schäuble (Finanzen) und Thomas de Maizière (Inneres) Unterstützung. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der die Hartz-Gesetze während der rot-grünen Regierungszeit mittrug, warf Westerwelle dagegen Zynismus vor. Grünen-Chefin Claudia Roth sprach gar von Rechtspopulismus.