Markus kann das Södern nicht lassen. Nach Wochen relativer Ruhe ohne Quertreibereien, hat der bayerische Ministerpräsident mal wieder beschlossen, sich in den Vordergrund zu rempeln. Und ganz nebenbei das ohnehin nur geringe Vertrauen der Deutschen in die Coronapolitik weiter auszudünnen. Noch am 10. Dezember, also vor nicht einmal zwei Monaten, hatte die CSU im Bundesrat diesem Gesetz zugestimmt, das Bayern sich nun plötzlich weigert, umzusetzen: die Impfpflicht für Pflegekräfte. Kaum kündigte Söder seinen Entschluss an, forderte Friedrich Merz, Chef der großen Schwesterpartei CDU, sogar die Aussetzung der Regelung für ganz Deutschland.
Erst zustimmen, um dann auf die Bremse treten – die Union und speziell ihr bayerischer Ableger werden zunehmend zum Symbol für die Misere der deutschen Coronapolitik.
Gut, dem CSU-Chef gehen derzeit mal wieder die Beliebtheitswerte flöten, was er gerne nutzt, um sich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zurückzuprovozieren. Mit Corona hat er da ja oft gute Erfahrungen gemacht, obwohl seine Bilanz als Pandemiebekämpfer in der Heimat einer der dürftigsten im ganz Deutschland ist. Genauso dürftig fällt auch die Begründung aus, mit der er die Umsetzung der Impfpflicht "zeitlich zu strecken" will, wie es in der Münchener Staatskanzlei heißt.
Vereinfacht gesagt befürchtet die Landesregierung, dass ihr die Pflegekräfte ausgehen, wenn nur noch Geimpfte zur Arbeit erscheinen dürfen. Leider gibt es unter dem Fachpersonal, wie in der gesamten deutschen Bevölkerung auch, leider relativ viele Menschen, die sich nicht gegen das Virus immunisieren lassen wollen. Allerdings ist die Impfquote unter den Pflegekräften überdurchschnittlich hoch. Zwar schneidet Bayern mit rund 86 Prozent auch nur mittelmäßig ab, aber das sind immer noch zwölf Prozentpunkte mehr als im Rest des Bundeslandes.
Wo Markus Söder sogar Recht hat
Und völlig aus der Luft gegriffen sind die von Söder und Merz angesprochenen Probleme tatsächlich nicht: Was tun mit unverzichtbaren Beschäftigten, die sich einer Impfung verweigern? Zumal die Personaldecke in Krankenhäusern und Heimen ohnehin schon völlig ausgedünnt ist. "Die Bundesregierung muss einsehen, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht im Moment kaum umsetzbar ist", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Tino Sorge. So berechtigt diese Bedenken auch sein mögen: Die Union sitzt in neun von 16 Bundesländern in der Regierung, sie hat also durchaus Möglichkeiten, solche Dinge anzugehen.

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Stattdessen aber weigert sie sich, von ihr selbst mitbeschlossenes, geltendes Recht umzusetzen. Damit erweist Söder auch der allgemeinen Impfpflicht, die er übrigens selbst befürwortet, einen Bärendienst. Nach mehr als zwei Jahren Corona sind große Teile der Politik immer noch unfähig oder nicht willens, eine verlässliche Pandemie-Strategie durchzuhalten. Nicht einmal ein paar Wochen lang.
Quellen: DPA, AFP, "Handelsblatt", Statista, Tagesschau