Kennen Sie Bettina Stark-Watzinger? Im Kabinett der Ampel ist die Liberale für das Thema Bildung zuständig. Daran sei kurz erinnert. Nicht so sehr, weil Frau Stark-Watzinger es auch im dritten Jahr ihrer Amtszeit geschafft hat, weitgehend unbekannt zu bleiben, sondern weil sie nun mit einer Idee Furore macht, die mit ihrer Kernaufgabe nicht allzu viel zu tun hat.
In einem Interview fordert die Bildungsministerin, dass Schulen sich besser auf Krisen vorbereiten müssten: Pandemien, Naturkatastrophen – und Krieg. "Zivilschutz ist immens wichtig, er gehört auch in die Schulen. Ziel muss sein, unsere Widerstandsfähigkeit zu stärken", sagt die Ministerin. Und dazu brauche es natürlich vor allem Zweierlei: Zivilschutzübungen an Schulen und, der Klassiker, ein "unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr".
Bettina Stark-Watzinger über "Widerstandsfähigkeit"
Seit Verteidigungsminister Boris Pistorius das Wort der "Kriegstüchtigkeit" in die Debatte eingeführt hat, ist Schluss mit der verweichlichten deutschen Zivildienst-Mentalität. Alles muss jetzt "kriegstüchtig“ werden, nicht nur die Bundeswehr, auch die Wirtschaft, die Infrastruktur, das Gesundheitswesen – nun offenbar auch die Schule.
So weit ist es also gekommen. Früher stritt man in der Schule um G9 oder G8 – demnächst dann um G3? Und wie darf man sich den künftigen Stundenplan vorstellen:
Deutsch, Mathe, Sport – und in der sechsten Stunde Krieg?
"Si vis pacem para bellum" – Wenn du Frieden willst, rüste zum Krieg, sagte einst Cicero, sagt heute Pistorius. Schon richtig, es wäre schön, wenn wir wenigstens unsere Kinder mit derlei Rhetorik verschonen würden.

Zur Klarstellung: Es spricht überhaupt nichts dagegen, wenn Kinder und Jugendliche die Fluchtwege aus ihrer Schule kennen, wenn sie im Notfall einen Feuerlöscher bedienen können und wissen, wo der Sani-Kasten liegt. Wenn Sie im Politik-Unterricht den Ukraine-Krieg behandeln. Dann ist aber auch gut.

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"Wehrkunde" in der Schule
Es gab zu DDR-Zeiten das vielen Älteren noch bekannte Schulfach "Wehrkunde". Die Jungs fuhren in der 9. Klasse zur Ertüchtigung in ein sogenanntes Wehrlager, zum Marschieren und zum Robben, in manchen wurde sogar scharf geschossen. Die Mädchen übten sich derweil in der Zivilverteidigung und schleppten scheinverletzte Schüler auf Tragen über den Sportplatz. Das hat vielleicht nicht allen geschadet, bei manchen hat es halbtraumatische Erinnerungen hinterlassen. Vor allem trug es zu einer problematischen Militarisierung der Gesellschaft bei, die sich niemand ernsthaft zurückwünschen sollte.
Die meisten Eltern wären heute schon sehr froh, würden ihre Kinder an ihren Schulen zumindest halbwegs auf den friedlichen Teil ihrer Lebenswirklichkeit vorbereitet. Solange das deutsche Bildungssystem schon an dieser Aufgabe so regelmäßig scheitert, dürfen sich verantwortliche Minister und Ministerinnen mit Forderungen nach der Kriegstauglichkeit unserer Schulen sehr gern zurückhalten.
Am Ende ist es sogar so: Je besser das Bildungssystem in seinen Kernbereichen funktioniert, desto besser kann sich unsere Gesellschaft auf Krisenfälle vorbereiten. Um es etwas praxisnäher zu formulieren: Wer später mal das hochkomplexe Navigationsmodul einer Taurus-Rakete bedienen soll, hat in Mathe, Physik und Geografie besser ein bisschen was verstanden.