Die Zahl antisemitischer Straftaten in Deutschland steigt. Von Januar bis September erfasste die Polizei bundesweit 797 derartige Straftaten, 81 mehr als voriges Jahr im gleichen Zeitraum. Das geht aus den jüngsten Zahlen hervor, die die Linke-Abgeordnete Petra Pau und ihre Fraktion regelmäßig bei der Bundesregierung erfragen und veröffentlichen.
Darunter waren nach vorläufigen Zahlen des Bundesinnenministeriums in den ersten drei Quartalen 21 Gewalttaten. 27 Menschen wurden verletzt, mehr als doppelt so viele wie in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres. Die Polizei ermittelte 471 Tatverdächtige. Vier wurden festgenommen, einen Haftbefehl erhielt jedoch keiner.
CDU verweigert gemeinsame Antisemitismus-Resolution
Höher als voriges Jahr zur gleichen Zeit liegt auch die Zahl der politisch rechts motivierten Delikte insgesamt und die Zahl der Gewalttaten dabei: Bis Ende September wurden 10.844 rechte Straftaten und fast 600 Gewalttaten erfasst. Ebenso viele Menschen wurden verletzt. Wegen rechtsextremistischer und fremdenfeindlicher Taten ermittelte die Polizei in diesem Jahr bisher 5720 Verdächtige. 210 wurden vorläufig festgenommen, 15 erhielten Haftbefehle. Die Zahlen sind vorläufiger Natur und steigen erfahrungsgemäß durch Nachmeldungen noch an.
Zum 70. Jahrestag der Reichspogromnacht haben unterdessen alle Fraktionen im Bundestag dem Antisemitismus den Kampf angesagt. Eine ursprünglich geplante gemeinsame Resolution kam wegen des Widerstands der Union gegen die Linke nicht zustande. Die Linksfraktion werde voraussichtlich aber den Antragstext von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen wortgleich übernehmen, hieß es vonseiten der Fraktion. In dem am Dienstag in den Bundestag eingebrachten Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, die Programme gegen Antisemitismus zu verstärken und zu erweitern.
Ausdrücklich hebt der Antrag die Solidarität mit Israel als "unaufgebbaren Teil der deutschen Staatsräson" hervor. "Wer an Demonstrationen teilnimmt, bei denen Israelfahnen verbrannt und antisemitische Parolen gerufen werden, ist kein Partner im Kampf gegen den Antisemitismus. Die Solidarisierung mit terroristischen und antisemitischen Gruppen wie der Hamas und der Hisbollah sprengt den Rahmen zulässiger Kritik an der israelischen Politik."
Linksfraktionschef Gregor Gysi äußerte sich empört über das Verhalten der Union. "Die Union hat sich damit aus dem antifaschistischen Konsens der deutschen Gesellschaft verabschiedet." Enttäuscht zeigte sich Gysi auch über das Verhalten von SPD, FDP und Grünen. Die Grünen bekräftigten bis zuletzt ihren Willen zu einem gemeinsamen Antrag aller fünf Fraktionen.
Anlass für die Resolution ist der Jahrestag der Reichspogromnacht vom 9. November 1938. In der sogenannten Reichskristallnacht zerstörten die Nazis Synagogen, Geschäfte und Wohnungen jüdischer Bürger. Den Pogromen, bei denen Hunderte ermordet wurden, folgte die systematische Vernichtung der Juden.