Italienische Zwangsarbeiter Geringe Aussichten auf Entschädigung

Vor einem Berliner Gericht soll geklärt werden, ob italienische Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg zur Zwangsarbeit nach Deutschland gebracht wurden, als Kriegsgefangene galten. In diesem Fall würden sie kein Recht auf Entschädigungen haben.

Das Berliner Verwaltungsgericht schlägt am Donnerstag das letzte Kapitel in der bitteren Geschichte der NS-Zwangsarbeiter auf. Hinter der Verwaltungsstreitsache VG 9 A 336.02 verbergen sich die Schicksale Hunderttausender italienischer Militärinternierter, die vom Spätsommer 1943 an nach Deutschland zur Zwangsarbeit verschleppt worden waren. Bei der nach langen und schwierigen internationalen Verhandlungen Mitte 2000 vereinbarten Entschädigung waren sie leer ausgegangen. Der Florenzer Anwalt Joachim Lau will jetzt in dem Musterprozess gegen die Bundesrepublik Deutschland die Ansprüche der Betroffenen klären lassen.

Lau beschäftigt sich seit langem mit der vergessenen Leidensgeschichte dieser ehemaligen italienischen Soldaten. Mehr als 4000 Klagen sind vorerst ausgesetzt, bis die deutsche Justiz über die Forderungen Antonio Basiles und Giacomo Malbertos auf Zahlung einer Entschädigung von etwa 7670 Euro befunden hat.

Schwerstarbeit in einem Stahlwerk

Basile lief den Deutschen am 12. September 1943 in Mailand in die Arme, als er gerade auf dem Weg zum Bahnhof war. Drei Tage zuvor wurde Malberto in Athen festgenommen. Die beiden einfachen Soldaten, heute 82 und 83 Jahre alt, wurden nach Deutschland gebracht. Basile musste in einem Stahlwerk in Luckenwald Schwerstarbeit leisten - bei 140 Gramm Brot und einer Steckrübensuppe pro Tag. Nicht besser erging es Malberto in einer Maschinenfabrik in Schweinfurt. Als ihn 20 Monate später die Alliierten aus dem KZ Teichwolframsdorf befreiten, war die Hälfte der mit ihm deportierten Kameraden umgekommen.

Obwohl beide unbestritten schweres Unrecht erlitten, ist nach deutscher Rechtsauffassung keine Entschädigung möglich. Im Gesetz über die Bundesstiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" heißt es unter Paragraf 11, Absatz 3: "Kriegsgefangenschaft begründet keine Leistungsberechtigung." Der Streit dreht sich nun darum, ob Basile und Malberto tatsächlich Kriegsgefangene waren. Nach dem Völkerrecht hätten sie dann zur Arbeit herangezogen werden dürfen und wären nach dem Gesetz keine Zwangsarbeiter mit Anspruch auf Entschädigung.

Millionen Zivilisten, die meisten aus Mittelosteuropa, mussten während des Zweiten Weltkrieges in Deutschland Zwangsarbeit verrichten. Sie ersetzten deutsche Arbeiter, die im Krieg waren, und hielten die Rüstungsproduktion am Laufen.

600 000 italienische Soldaten als Kriegsgefangene

Der Fall der Italiener unterscheidet sich in einem Punkt von den übrigen Zwangsarbeitern, deren Länder von den Deutschen überfallen worden waren. Das faschistische Italien war zunächst ein treuer Verbündeter Hitlers. Als die Alliierten aber immer weiter vordrangen, schloss Italien am 3. September 1943 einen Waffenstillstand. Auf Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht wurden daraufhin 600 000 italienische Soldaten als Kriegsgefangene festgesetzt. Wenige Tage später erklärte ein "Führerbefehl" diese Gefangenen zu "Militärinternierten".

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Was bedeutet diese Umbenennung? In einem umfangreichen Rechtsgutachten für das Bundesfinanzministerium kommt der Berliner Jura-Professor Christian Tomuschat zu dem für die Betroffenen negativen Schluss, "dass die demobilisierten italienischen Soldaten, die sich im deutschen Gewahrsam befanden, ihren Status als Kriegsgefangene behielten, welche Bezeichnung auch immer das nationalsozialistische Deutsche Reich für sie gewählt haben mag".

Ein Signal, wie der Streit ausgehen könnte, hat das Gericht schon gegeben. Mit Beschluss vom 28. Februar 2003 lehnte die 9. Kammer eine Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussichten ab. Dann bliebe den inzwischen erkrankten Klägern nur noch die Hoffnung auf die nächsten Instanzen. Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Jeden Tag, berichtet Anwalt Lau, sterben drei bis vier Prozent seiner Mandanten.

DPA
Norbert Klaschka