Unbekanntes Land hat Bundeskanzler Gerhard Schröder erkundet: Vier Staaten Afrikas in sechs Tagen standen auf dem Programm - Äthiopien, Kenia, Südafrika und Ghana. Und das erst im sechsten Jahr seiner Amtszeit. Und er findet jetzt, dass es so lange Zwischenräume zwischen Kanzlerbesuchen künftig nicht mehr geben sollte. Von einer "Wende" in der deutschen Afrikapolitik mag er aber nicht sprechen, lieber von einer "neuen Aufmerksamkeit". Die freilich gilt nicht nur den Staaten Afrikas - auch umgekehrt wurde dem Kanzler auf jeder Station seiner Reise bedeutet, dass Deutschland - Stichwort Irakpolitik - eine neue außenpolitische Rolle spiele. "Die Welt hat sich verändert" weiß Schröder. Und das nicht erst seit seiner Afrikareise.
"Es ist deutlich geworden, dass Deutschland sich vor allem dort engagieren wird und will, wo es das gibt, was man Good Governance nennt. Also wo der Versuch gemacht wird, auf eigene Füße zu kommen, was wir gerne unterstützen. Wo Rechtstaatlichkeit und Demokratie durchgesetzt werden und wo der Versuch gemacht wird, regionale Zusammenschlüsse hinzubekommen", resümierte Schröder im Interview mit Deutsche Welle TV. Durch solche Zusammenschlüsse gebe es für Deutschland die Möglichkeit, sich "auf größer gewordenen Märkten zu engagieren". Doch Deutschlands Afrika-Politik wird hauptsächlich vom Leitmotiv des "guten Samariters" geleitet, und Afrika bedeutet für Deutschland vor allem eines: Armut.
Hilfe zur Selbsthilfe
So war Schröders Botschaft vor allem die Ermunterung, selbst etwas zu tun. Der Kanzler sieht sich durch das große Umdenken in Afrika ermutigt, für das die 2002 gegründete Afrikanische Union und die Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD) stehen: Beide Organisationen bekennen sich zu Demokratie und Menschenrechten, nicht nur verbal. Sie sind auch bereit, sich im so genannten "Peer Review" einer kritischen Inspektion durch andere afrikanische Regierungen zu unterwerfen, haben aber ihre Bewährungsproben noch vor sich.
Die Winde des Wandels, die in Afrika nach dem Ende des Kalten Krieges eine Reihe von Diktatoren und Autokraten wie beispielsweise Äthiopiens Mengistu Haile Mariam und Kenias Daniel arap Moi hinweggefegt haben, sind nicht nur eine Chance für Afrika, sondern auch für Europa, findet der Kanzler. Wirtschaftlich, aber auch sicherheitspolitisch. "Wir haben ein eigenes Interesse daran, dass mehr Stabilität in diesen Kontinent kommt, ein eigenes, auch sicherheitspolitisches Interesse", sagt Schröder im Interview. "Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus wird nur gelingen, wenn es gelingt, den Menschen in Afrika eine positive Perspektive zu geben - eine, die ihnen Leben und manchmal auch nur Überleben ermöglicht."
Dass die reformorientierten Staaten belohnt und die Kräfte des Beharrens ignoriert werden, ist in dieser Deutlichkeit auch für die deutsche Afrikapolitik eine Herausforderung. Geld soll künftig den demokratischen Neuanfang unterstützen. So brachte Schröder dem "neuen Kenia" von Präsident Mwai Kibaki eine Verdoppelung der Entwicklungshilfe und die Bereitschaft zu Polizei- und Geheimdienstzusammenarbeit mit. Freilich tun sich auch die Deutschen mit der Umstellung noch schwer: Tansania, das mit seiner kollektivistischen Ujamaa-Politik unter dem sozialistischen Präsidenten Julius Nyerere einst der deutschen 68er-Generation der Entwicklungspolitiker lieb und vor allem teuer war und auch jetzt immer noch nicht zur Kategorie der "Hoffnungsträger" gerechnet werden kann, steht nach wie vor in der Gnadensonne Berlins. Demnächst kommt sogar Bundespräsident Johannes Rau in der deutschen Ex-Kolonie vorbei.
"Berührendstes Erlebnis" in der deutschen Schule von Addis Abeba
Schröder hat sich bei seiner ersten wirklichen Begegnung mit dem Kontinent als gut vorbereitet erwiesen: Auch das Werk von Entwicklungsstaatssekretärin Uschi Eid (Grüne), seiner persönlichen Afrikabeauftragten, und des außenpolitischen Kanzlerberaters Bernd Mützelburg, einst ein mutiger Botschafter in Kenia. Offen wollte er sein, sagt der Kanzler, mit wenig Vorurteilen und Erwartungen. "Das berührendste Erlebnis" seien die Kinder der Ärmsten gewesen, die in der evangelischen deutschen Schule von Addis Abeba unterrichtet werden. Und so nimmt er auch dieses mit nach Hause: "Naja, wir diskutieren schon manchmal Probleme auf sehr, sehr hohem Niveau. Und viele meiner Kollegen haben mir gesagt: Wenn ich Eure Probleme hätte, dann ginge es mir gut."

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Übrigens: Die Weichen für die Kanzlerschaft Gerhard Schröders wurden in Südafrika gestellt. Als er 1995 als niedersächsischer Ministerpräsident das Land besuchte, kam es zu einer unvergessenen Begegnung mit dem Nobelpreisträger und damaligen Erzbischof von Kapstadt, Desmond Tutu. Dieser habe prophezeit, dass er bis ins Kanzleramt aufsteigen würde, erzählte Schröder bei seinem Besuch in Johannesburg. Wer so nah bei Gott sei, dem müsse man glauben, habe er sich damals gedacht.