Als Olaf Scholz und Friedrich Merz am Sonntagabend im ZDF zum Kanzlerduell antraten, schien es, als hätte es den Klimawandel nie gegeben. Über Dürren, Waldbrände und Überschwemmungen verloren weder der selbst ernannte Klimakanzler noch sein Herausforderer ein Wort. Nur die kurze Einlage über das Klimageld, von dem Bürger voraussichtlich erst im Jahr 2027 profitieren werden, deutete darauf hin, dass der Klimawandel irgendwo auf der Welt noch stattfindet – nur eben nicht in der Bundesrepublik.
Doch das ist ein Trugschluss: 2024 war das heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen – auch in Deutschland. Zum Jahresbeginn wurden Teile Norddeutschlands überschwemmt, der Schaden ist bis heute immens.
Wie will sich das Land künftig vor den immer wahrscheinlicher und häufiger auftretenden Extremwetterereignissen wappnen?
Wie will eine neue Bundesregierung den Klimaschutz möglichst konsequent und sozial gerecht umsetzen?
Wie will Deutschland die Klimaziele 2030 noch erreichen, obwohl sie – Stand jetzt – gerissen werden?
Fragen über Fragen, auf die es nach dem TV-Duell Scholz gegen Merz keine Antworten gibt. Der Klimawandel verkommt zur Randnotiz. Das zeigt nicht nur der Schlagabtausch im ZDF, sondern der gesamte Wahlkampf.
Als der Klimaschutz noch angesagt war
2021 war das noch anders: Der Klimawandel wurde von fast allen Parteien als größte Herausforderung unserer Zeit anerkannt. Die Klimabewegung erlebte unter der Führung von Fridays for Future ihren Höhepunkt. Dementsprechend wurde der Klimaschutz zum Wahlkampfthema Nummer eins:
- Die Grünen besannen sich auf ihre Wurzeln als Ökopartei und warben als Verfechter des Klimaschutzes um Stimmen der Wähler.
- Die Sozialdemokraten setzten noch einen oben drauf und gingen mit Olaf Scholz als ersten "Klima-Kanzler" in der Geschichte Deutschlands in den Wahlkampf.
- Die Liberalen bekräftigten in ihrem Wahlprogramm: "Den Klimawandel bewältigen wir mit German Mut, nicht mit German Angst!"
- Die Linken gingen mit einem 15-Punkte-Plan für eine wirksame Klimaschutzpolitik an den Start.
Das Klimamoment ist verflogen
Vier Jahre nach der Klimawahl haben die Parteien offenbar Angst, mit dem Thema mehr zu verlieren, als zu gewinnen und haben das Thema damit stillschweigend zum Tabu erklärt. In den Wahlprogrammen spielt das Thema kaum eine Rolle. Und wer es doch anspricht, lässt kein gutes Haar daran.
So stellte Friedrich Merz die Produktion von grünem Stahl so deutlich infrage, dass sich seine Aussage bereits als Absage interpretieren ließ. Dafür erntete der Unionsspitzenkandidat viel Kritik und ruderte wieder zurück. Noch drastischer äußerte sich AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel, die alle Windkraftwerke abreißen lassen wollte. Nach Kritik lenkte auch sie ein.
Das Klimamoment scheint verfolgen, obwohl das Jahr 2024 erneut mit schlechten Nachrichten für den Planeten endete: Niemals seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war es so warm wie 2024. Niemals in der Geschichte der Wetteraufzeichnungen war es so nass wie 2024.
In den Worten der FDP: Niemals gab es mehr zu tun.
Die vergangene Legislatur, die eigentlich dem Klimaschutz gewidmet werden sollte, hat in dieser Hinsicht aber mehr Baustellen hinterlassen als beseitigt.
Klimakanzler mit Negativbilanz
Vor allem für den selbsternannten "Klimakanzler" Olaf Scholz ist es eine peinliche Bilanz: Die Klimaziele wurden unter seiner Regierung verfehlt, allein im Verkehrssektor wurden sie in der laufenden Legislatur dreimal gerissen. Vizekanzler Robert Habeck hängt unterdessen die Kritik an seinem Heizungsgesetz nach. Außerdem hat es der Minister versäumt, ein Kraftwerksgesetz durchzubringen, das den Ausbau der Erneuerbaren beflügelt und eine Renaissance von Kohle- und Atomstrom verhindert hätte. Bei vielen Bürgern hinterließ die Klimapolitik der Ampel-Regierung den Eindruck, dass der Klimaschutz mehr kostet, als nutzt.
Abseits dessen hat die Klimabewegung Rückschläge erlitten: Fridays for Future erntete massive Kritik, als sich Gründerin Greta Thunberg pro-palästinensischen Protesten anschloss. Unterdessen verärgerte die Letzte Generation Tausende Bürger mit ihren Klebeaktionen auf den Straßen.
Für Politiker ist der Klimaschutz zum Tabu geworden. Für die Welt und für die deutschen Bürger bleibt er aber ein Dauerbrenner. Laut einer repräsentativen Umfrage der Klima-Allianz wünscht sich die Hälfte der Deutschen, dass sich die Bundesregierung mehr für den Klimaschutz einsetzt. Dreiviertel der Befragten forderten vor allem staatliche Investitionen für die Katastrophenhilfe.
Im bisherigen Wahlkampf zeichnet sich nicht ab, dass die Politiker auf dieses Begehren Rücksicht nehmen. Ob sich das nach dem 23. Februar ändert? Es bleibt spannend.
Dieses Stück erschien zuerst im Januar 2025 beim Stern. Aus gegebenem Anlass wurde es in einer aktuellen Version noch einmal veröffentlicht.