Die "Reichensteuer" könnte zum Knackpunkt bei den Verhandlungen über eine große Koalition zwischen SPD und Union werden. Während die SPD auf der zusätzlichen Besteuerung reicher Menschen besteht und davon ein Ja zur Erhöhung der Mehrwertsteuer abhängig macht, ist die Union teilweise bislang gegen eine "Reichensteuer". Die Erhöhung würde nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums rund 48.000 Steuerpflichtige betreffen. Darunter befinden sich auch die gut verdienenden mittelständischen Unternehmen.
Union und SPD wollen am Montagnachmittag ihre Gespräche dazu in der großen Verhandlungsrunde fortsetzen, die der Auftakt zu einem Verhandlungsmarathon bis Samstag ist. Dann soll der Koalitionsvertrag stehen.
Stichwort: "Reichensteuer"
Die Idee einer speziellen Besteuerung Reicher hat eine lange Tradition und zielt in der politischen Debatte auf die gerechte Verteilung der Lasten auf alle Menschen. Befürworter beziehen sich dabei auf den Grundsatz, dass Vermögende sich stärker am Gemeinwohl beteiligen sollen als finanziell Schwächere. Oft wird dabei das Grundgesetz (Artikel 14, Absatz 2) zitiert: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."
Die SPD fordert nun: "Besserverdiener (Ledige ab 250.000 Euro und Verheiratete ab 500.000 Euro im Jahr) zahlen statt 42 Prozent künftig 45 Prozent Steuern. Der Ertrag soll primär für Bildung und Forschung verwendet werden." Nach SPD-Berechnungen sollen so jährlich rund 1,2 Milliarden Euro in die Kassen fließen. Auch die Grünen und die Linkspartei machen sich für eine stärkere Besteuerung Reicher stark.
Führende SPD-Politiker verstärken derweil ihre Forderung nach einem "Reichen-Solidaritätsbeitrag". Der designierte SPD-Chef Matthias Platzeck sagte vor Beginn der SPD-Beratungen, nach seinem Eindruck könnten und wollten Wohlhabende eine solche Abgabe zahlen. Auch nach Ansicht von SPD-Vize Kurt Beck ist es notwendig, dass die Reichen einen Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen leisteten.
Der hessische Ministerpräsident und Union-Verhandlungsführer in Sachen Finanzen, Roland Koch, signalisierte Zustimmung zu einer Kombination aus Mehrwertsteuererhöhung und einer stärkeren Belastung höherer Einkommen. "Alle in dieser Gesellschaft, auch die Besserverdienenden, müssen dazu beitragen, dass wir die Krise Deutschlands beseitigen", sagte er im ZDF.
Die Union sei sich in dieser Frage aber noch nicht einig, wie CDU-Generalsekretär Volker Kauder sagte. "Es kommt darauf an, niemanden zu überfordern, aber auch jeden im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit mit heranzuziehen", so Kauder. CDU-Vize Christian Wulff sagte Deutschlandradio, mit einer "Reichensteuer" habe er "überhaupt kein Problem". Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) meinte dagegen: "Von einer Reichensteuer halte ich überhaupt nichts." Im RBB- Inforadio sagte er, die Union müsse darauf achten, dass nicht nur über Steuererhöhungen gesprochen werde. Er gehe aber von einem Kompromiss aus.
Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle warnte Union und SPD vor Steuererhöhungen. Wer eine "Reichensteuer" gegen eine Mehrwertsteuererhöhung aufrechne, betreibe einen "Kuhhandel der Dummheiten", so Westerwelle. Dies werde zu noch mehr Massenarbeitslosigkeit und Kapitalflucht ins Ausland und zu mehr Schwarzarbeit führen. Die Linkspartei lehnte das ebenfalls ab. Die SPD verkaufe damit eines ihrer zentralen Wahlversprechen, eine Mehrwertsteuererhöhung zu verhindern, für ein "Gerechtigkeits-Placebo", so Fraktionsvize Bodo Ramelow.