Er wäre nicht Karl Lauterbach, wenn er keine Warnung im Köcher hätte: Der SPD-Gesundheitsminister warnt angesichts der baldigen Lockerung der "tiefgreifenden" Corona-Schutzmaßnahmen in Deutschland vor erhöhten Corona-Infektionszahlen im Sommer. "Wir müssen mit einer Sommerwelle rechnen", sagte Lauterbach den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Samstag.
Die Varianten Omikron und Delta seien so infektiös, dass sie auch bei Sonnenschein und warmen Temperaturen durch viele Kontakte und den nachlassenden Impfschutz wieder zu steigenden Infektionszahlen führen könnten. Der Gesundheitsminister hält es sogar für möglich, dass das Coronavirus noch mehrere Jahrzehnte bleiben wird: "Ich bin ziemlich sicher, dass wir eine Herbstwelle bekommen. Und auch danach wird uns Corona noch lange beschäftigen – ein Jahrzehnt oder mehr."
Nicht nur auf Infektionszahlen konzentrieren
Lauterbach bringt da die Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen wieder ins Spiel, sollten die Zahlen nach oben gehen: "Es sollte möglich sein, Obergrenzen für private Treffen und öffentliche Veranstaltungen festzulegen sowie Zutrittsregeln etwa für die Gastronomie, also 2G- oder 2G-Plus-Regelungen."
Viele, die sich schon auf einen unbeschwerten Sommer ohne Maske gefreut haben, dürften bei diesen Aussagen mit den Augen rollen.
Dass das Coronavirus auch in den kommenden Jahren weiter für Infektionen sorgen wird, auch für viele, steht wohl außer Frage. Die Wissenschaft ist sich einig, dass Corona wohl nicht verschwinden wird.
Doch deshalb darf und sollte man sich nicht auf die Infektionszahlen konzentrieren. Somit müsste man in Zukunft eigentlich immer die Corona-Restriktionen beibehalten. Und das wäre auf Dauer kein Zustand.
In diesen Ländern werden die Corona-Maßnahmen gelockert

Fokus darauf, wie wir mit Corona leben können
Es braucht jetzt eine Politik aus dem Gesundheitsministerium, ein Ziel, das verfolgt wird. Und zwar, wie wir mit dem Coronavirus wieder ein normales Leben führen können. Das scheint bisher zu fehlen. Zwar ist die Rede von "Basisschutzmaßnahmen". Allerdings ist dieser Begriff noch mit vielen Fragezeichen versehen.
Ein Indikator sollten in Zukunft nicht die Infektionszahlen, sondern die Hospitalisierungen sein – so wie es eigentlich mal in einer Bund-Länder-Runde vereinbart wurde. Natürlich steht das Gesundheitssystem durch Corona zusätzlich unter Druck, keine Frage. Doch ein Kollaps droht momentan und auf absehbare Zeit nicht.

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Um Deutschland herum nehmen die Nachbarländer viele Corona-Maßnahmen zurück – oder lassen sie gleich ganz weg, wie etwa Dänemark. Und bisher scheint das auch ganz gut zu funktionieren – trotz hoher Infektionszahlen.

Mehr Eigenverantwortung statt Maßnahmen als Präventionen
Wenn das Coronavirus wirklich noch Jahrzehnte bleibt, so wie Karl Lauterbach es befürchtet, dann müssen wir lernen, es einen Teil unseres Lebens sein zu lassen – so wie die Grippe es vor der Pandemie war. Oder wie es Justizminister Marco Buschmann (FDP) formulierte: "Man kann nicht bloß präventiv auf Dauer millionenfach Grundrechte beschränken." Deshalb braucht es keine ständigen Warnungen vor hohen Inzidenzen mehr, sondern einen Plan, wie man trotzdem damit leben kann.
Selbstverständlich darf man die Vorsicht nicht komplett ablegen. Wenn es tatsächlich hart auf hart kommt und der Kollaps droht, muss der Staat schnell reagieren können. Aber man muss in Zukunft mehr auf die Eigenverantwortung der Menschen setzen, wie Ärztepräsident Klaus Reinhardt der "Rheinischen Post" sagte. Der beste Weg dafür sei die Impfung.